2.9.-15.10.2023
Nachdem wir uns in Salvador da Bahia die Füsse platt gelaufen hatten, dürstete uns nach Palmenstrand und Meer. Wir fuhren am Samstagmorgen mit hunderten anderen Wochenendausflügler zum Fährhafen und mussten uns gedulden, bis wir endlich auf einer Fähre Platz fanden. Und bis wir uns zurechtgefunden hatten, waren alle Schatten-Sitzplätze schon besetzt. Nach einer knappen Stunde über die Baia de Todos os Santos erreichten wir die Ilha de Itaparica, eine der grössten Inseln Brasiliens. Als erstes fuhren wir zur Inselhauptstadt im Norden, wendeten uns dann aber schon bald gegen Süden und steuerten einen Campingplatz an, den uns ein Arbeitskollege von Felix empfohlen hatte. Zur Begrüssung hackte uns der Besitzer je eine Kokosnuss auf, dann zeigte er uns herum. Wir waren die einzigen Gäste in seinem Palmenhain mit direktem Zugang zum Meer. Nach einem erfrischenden Bad in den Wellen, wurde uns noch eine Kokosnuss offeriert. Waren wir etwa im Paradies? Ich ging zu den Duschen, um das Salz auf meiner Haut loszuwerden. Als ich das Wasser astellte, purzelten drei kleine Frösche aus dem Duschrohr! Nach dem ersten Schreck fand ich die Tierchen doch recht süss!
Im Westen verbindet eine Brücke über Mangrovensümpfe die Insel mit dem Festland. Wir blieben dem Meer und den wundervollen Palmenstränden treu. Hinter den Palmenstränden folgte ein breiter Gürtel tropischen Urwalds, erst danach kam die Strasse. Wo Stichstrassen zum Meer führten, gab es kleine Bars und Restaurants und viele Menschen. Aber die Strände sind lang und man brauchte nur hundert Meter zu gehen, und schon wähnte man sich alleine auf der Welt. Manchmal standen wir für die Nacht frei in Strandnähe, manchmal auf einem Camping- oder Parkplatz. Brasilianer reisen auch gerne mit dem Wohnmobil, so hatten wir immer etwas Gesellschaft. Wenn wir bloss Portugiesisch verstehen würden! Nur vereinzelt sprachen die Einheimischen Englisch oder Spanisch…
Der Tag der Unabhängigkeit am 7.9. fiel auf einen Donnerstag, was ein langes Wochenende für die meisten Brasilianer bedeutete. Und sie taten das, was sie am liebsten tun: An den nächsten Strand fahren, einen Tisch in einem Beachrestaurant ergattern und den Tag mit Essen, Reden und Baden verbringen. Wir liessen uns auf den Spass ein, suchten aber schon bald einen Campingplatz für die Nacht. Zwar lag dieser direkt am Strand, aber er fiel steil ab und die hohen Wellen klatschten einen gleich um. So spazierten wir den Strand entlang zu einer geeigneteren Stelle und nach einem Schwumm liessen wir Badetücher und meine Badelatschen zurück und spazierten weiter. Als wir eine Stunde später zurückkehrten waren meine Schuhe verschollen. Tücher und das T-Shirt von Felix lagen noch da. Wer verflixt nochmal hatte meine 10 Fr. Dosenbach-Schlarpen so bitter nötig? Wir vermuteten ein paar Kinder, die in Hütten in den Mangroven hausten, und deren Hund wir weggejagt hatten, als er Filou aggressiv anging. Jä nu, sie waren zwar mega bequem gewesen, aber kein soooo grosser Verlust. Eine Woche später kamen auch Felix Flipflops weg, von der Womo-Treppe stibitzt, als wir drinnen waren! 🙂
Immer wieder gab es keine Strasse in Meeresnähe und kilometerlange Fahrten durchs Hinterland waren erforderlich. Dort wurde bescheidene Landwirtschaft betrieben. Ein wenig Zuckerrohr, Mais und Kakao, ein paar Kühe und Pferde, ein bescheidenes, ärmliches Leben in einer grandiosen Umgebung. Grosse, träge Mündungsflüsse wurden von Brücken überspannt oder mussten per Fähre überquert werden.
So tuckerten wir der Küste des Staates Bahia entlang nach Süden und überquerten die Grenze zum Staat Espirito Santo. Je weiter südlich, desto mehr wich der tropische Küstenwald riesigen Eukalyptusplantagen, welche zur Cellulosegewinnung dienen. Da standen dann auch die benötigten Fabriken und Verladehäfen. In Chile hatten wir erfahren, dass die Cellulose nach China verschifft wird. Ob das in Brasilien auch so ist, wissen wir nicht. Aber eine Stunde durch einen Eukalyptuswald zu fahren, wo jeder Baum gleich aussieht, macht einfach keinen Spass. Wir verliessen die Küste und wandten uns den Barockstädten im Bundesstaat Minas Gerais zu.
Hier wurden nun wieder Landwirtschaft betrieben. Neben der Viehhaltung entdeckten wir Kaffee- und Pfefferplantagen. Dazwischen ragten seltsame, kahle Granitberge in die Höhe. Zum Teil werden grosse Blöcke Granit abgebaut und zu Küchen- und Badabdeckungen verarbeitet.
Wir brauchten drei Tage, bis wir Diamantina erreichten. Wie gross doch dieses Land ist!
Wie der Name sagt, verdankte die Stadt ihren Reichtum den gewaltigen Edelsteinfunden. Wegen dieser Funde war der Ort 100 Jahre lang direkt dem Könighaus von Portugal unterstellt. Alles war genehmigungspflichtig oder verboten, es durfte auch nicht nach Gold geschürft werden. So blieb Diamantina vom Fortschritt abgeschnitten und bewahrte gerade deswegen seinen ursprünglichen Charakter: Steile gepflasterte Strassen, haufenweise alte Kirchen und schön renovierte koloniale Wohnhäuser. Und für die Touristen haufenweise Boutiquen, Museen und nette Hotels und Restaurants.
Ein grosses Tourismusprojekt ist der Ausbau der alten „Estrada Real“ (Goldstrasse), zu einer gut beschilderten, touristenfreundlichen Strasse zwischen Rio de Janeiro an der Küste und den Kolonialstädten im Hinterland. Das Teilstück jener Strasse, der Camino dos Diamantes, brachte uns in die Hauptstadt des Bundesstaates Minas Gerais, nach Belo Horizonte. Eine Grossstadt mit Hochhäusern, deren Charme wir vergeblich suchten. Erst 1897 gegründet und auf dem Reissbrett entworfen sind die Strassen grösstenteils schachbrettförmig angelegt. Nur einige wenige alte Gebäude blieben erhalten, sie stehen rund um den Hauptplatz, einem schönen Park. In der Stadt und im vornehmen Vorort Pampulha wurde Oscar Niemayer mit dem Bau einiger Gebäude betraut. Am künstlich angelegten See in Pampulha steht zB. die Igreja de Sao Francisco de Assis, die zwar 1943 eingeweiht wurde, danach aber für 14 Jahre geschlossen wurde. Die Kirchenobrigen sahen in dem Bauwerk ein Symbol des Kommunismus. Uns gefiel Niemeyers Kathedrale in Brasilia bedeutend besser.
Schnell verliessen wir die Grossstadt wieder (aber ein feines Essen in Restaurant musste sein), um in einem grossen Bogen die Barockstädte, die wie Perlen einer Kette entlang der Estrada Real aufgereiht sind, zu besuchen: Sabara, Caete, Baroa de Cocais, Sta. Barbara, Mariana, Ouro Preto. Die am schönsten renovierten Gebäude waren immer die Kirchen, in manchen der Orte gab es nicht mal ein Kaffeehaus und bald war ich der Gotteshäuser überdrüssig. In Mariana fanden wir auf dem Berg vor dem Spital einen Übernachtungsplatz und waren dann vom Ort angenehm überrascht. Erstens fand an diesem Wochenende gerade ein Mountainbike-Rennen statt, zweitens wurde in allen Kirchen geheiratet, drittens gab es viele Restaurants und viertens mitten in der Stadt spielte ein Orchester auf. Die Lieder des Sängers wurden übrigens in Gebärdensprache übersetzt.
Am nächsten Morgen erreichten wir Ouro Preto, die grösste der Barockstädte mit bestimmt 20 Kirchen. Wieder war die Stadt an steilen Hängen gebaut, die Strassen unebenes Kopfsteinpflaster. Wir spazierten auf und ab, auf und ab. Zum Schluss krochen wir beinahe zum Wohnmobil zurück. Mit Hilfe von „Maps me“ wollten wir die Stadt verlassen, verpassten eine Abzweigung und gerieten in eine hupende Autokarawane. Wie wir nahmen diese eine steile, steile Strasse, auf der einige Fahrzeuge steckenblieben und die wir nur mit Untersetzung meisterten. Wir fragten uns, wo die alle hinwollten. Oben auf dem Berg erkannten wir bald eine Kirche und davor stand der Pfarrer mir einem Weihwasserbehälter und segnete alle Autos! Unseres nicht, vielleicht hatte der Priester Felix Blick gesehen… Danach ging es wieder den 45° Hügel runter und ich war sehr froh als wir endlich auf eine breitere, ebenere Strasse einbogen.
Gegen Abend erreichten wir das sehr touristische Tiradentes. Der Ort wurde nach dem Führer der Freiheitsbewegung Joaquim Jose da Silva Xavier benannt, der nebenberuflich als Zahnarzt tätig war (Tiradente bedeutet auf spanisch Zahnzieher). Übrigens währte sein Kampf um Unabhängigkeit nur gerade zwei Jahre, bis er gefangengenommen und hingerichtet wurde. Als Brasilien 30 Jahre später die Unabhängigkeit von Portugal erreichten, wurde Tiradentes zum Nationalheld erkoren.
Das Städtchen Tiradentes ist wirklich reizend, die Touristen flanieren über gepflasterte Strässchen an schön restaurierten kolonialen Häusern vorbei, um den Hauptplatz reihen sich nette Hotels, kleine Läden mit Köstlichkeiten aus der Umgebung und Restaurants mit Tischen im Freien. Wirklich herzig und dabei vielleicht auch ein wenig kitschig… wenn dann noch pinke Kutschen von schwarzen Pferden gezogen an einem vorbeirattern… Aber manchmal geniesse ich das sehr. Alles ist so einfach, man kann einfach dem Volk hinterherspazieren und findet alles Sehenswerte. Und das beste Restaurant ist jenes, das brechend voll ist.
Eine angeheiratete Tante von Felix wurde in Nova Friburgo geboren, und weil wir sie ja noch besuchen würden, mussten wir ihre Geburtsstadt unbedingt besuchen. Wir dachten uns nichts Böses, kamen von hübschen, kleinen Städtchen, in denen die Zeit stehengeblieben war, hinein in das Chaos einer unerwarteten Grossstadt. Ihr mögt denken, wir hätten uns ja informieren können, haben wir gemacht, aber trotzdem haben uns der Verkehr und die unansehnlichen Gebäude überrascht, aus dem Schlaf gerissen, sozusagen. Die Stadt wurde im Jahre 1820 von 300 Familien aus der Schweiz gegründet, heute ist sie aber sehr multikulti und lebhaft. Erinnerte uns die Stadt so gar nicht an die Schweiz, fanden wir doch bei der Weiterfahrt eine Landschaft vor, die uns an die Heimat erinnerte. Einmal fuhren wir an den Churfirsten vorbei, dann durchs Appenzell. Nicht ganz dazu passen wollten die Gemüseanbauflächen mit Tomaten, Gurken und Peperoni. Und dann ragten wieder altbekannte, kahle Granitfelsen in den Himmel, wie sie in der Schweiz nicht vorkommen. Einen Halt machten wir bei der Käserei Casa Suiça. Wie schauten in der Schaukäserei vorbei und studierten die angebotenen Käsesorten, die nicht wie zu Hause aussahen. Schlussendlich entschieden wir uns für einen Sbrinz, der sich als nicht sehr rezent, aber doch fein erwies.
Auf dem weiteren Weg nach Rio de Janeiro fuhren wir durch Teresopolis und Petropolis, wobei ersteres durch eine schöne Umgebung besticht, die zweite Stadt durch die koloniale Architektur. Danach gings über Serpentinen und Viadukte 900 Höhenmeter hinunter ans Meer und hinein nach Rio de Janeiro!
Einen Übernachtungsplatz fanden wir auf einem grossen Parkplatz an der Bucht Flamengo, zwischen der Autobahn und der Durchgangsstrasse. Das versprach nicht gerade ruhig zu werden in der Nacht, aber wir sind echt schon abgehärtet! Zudem war der Platz gut gelegen. Einige Brücken überquerten die Autobahn und so waren wir in wenigen Minuten am Strand und der Promenade. Rechts der Zuckerhut, links die Altstadt, der wir zuerst einen Besuch abstatteten. Gegen Abend kehrten wir per Taxi zurück, fütterten Filou und überquerten dann die Durchgangsstrasse, um in einem der vielen Restaurants des Viertels zu Essen.
Beim Morgenspaziergang mit Filou an der Strandpromenade staunte ich nicht schlecht. Obwohl es erst 7:00 Uhr war, wurde hier Beachvolley gespielt, Yogasessions abgehalten, gejoggt, Fahrrad gefahren und im Sand wurden Fitnesslektionen angeboten. Einige gingen schwimmen oder Kajakfahren. Uff, wie anstrengend! Ich spazierte lieber und achtete darauf, dass Filou sich benahm. Er mag Menschen. Vor allem, wenn sie auf dem Boden liegen…
Für den Rest des Morgens liessen wir Filou im Womo. Wir nahmen nämlich an einer Free Walking Tour durch die Altstadt von Rio teil. Vieles hatten wir schon am Tag zuvor auf eigene Faust erkundet, aber es war interessant, die Geschichte und Anekdoten hinter den Gebäuden und Plätzen von einer waschechten Carioca (Einwohnerin von Rio) zu hören. Die Führung dauerte knapp 3 Stunden bei heissen 30 Grad. Wir waren danach sehr bereit, uns zu Filou zu gesellen, und unsere müden Füsse hochzuhalten.
Der dritte Tag war für den Zuckerhut und die Copacabana reserviert, die Fahrt zum Cristo hoch liessen wir aus.
Danach verliessen wir die Stadt und fuhren der Küste nach südwärts nach Paraty, ein schön erhaltenes Kitsch-Städtchen. Hm, schon wieder Samstag. Schon wieder ein sportlicher Grossanlass: Trailrunning UTMB über verschiedene Distanzen im steilen Regenwald der Umgebung. Die Läufer kamen recht erschöpft ins Ziel! Schon von vor Rio bis ganz in den Süden Brasiliens steigt hinter der Küste ein dichtbewaldetes Gebirge an, zum Teil landwirtschaftlich genutzt, zum Teil geschützt. Die Artenvielfalt an Bäumen und Farnen, Bromelien und Orchideen verschlug uns jedes Mal den Atem, wenn wir durchfuhren. Zum Beispiel bei unserem Ausflug nach Sao Paulo. Eigentlich würde eine Autobahn die Küste mit der Grossstadt verbinden, aber wegen mehreren Unfällen gab es kilometerlange Staus. Google Maps war sofort mit einer Umfahrung zur Hand, welche uns über ungepflasterte Strassen zwei Tage durch die Wildnis führte! 🙂 Hier sahen wir aber leider auch viele brandgerodete Hügel, die irgendwann als Viehweide dienen sollten. Aber das Fährtchen war trotzdem schön. Und Sao Paulo? Wissen wir nicht so genau. Wir fanden nämlich keinen Parkplatz, wo wir hätten übernachten können. So assen wir am Strassenrand mitten unter Obdachlosen zu Mittag und weg waren wir, wieder auf dem Weg zu Küste! Vielleicht noch ein letztes Mal baden? Die Wassertemperaturen waren aber auch schon wärmer gewesen!
Der viele Regen und der ewig graue Himmel schlugen mir aufs Gemüt. Sollte ich in der Badehose spazieren gehen und erfrieren, oder doch mit Schuhen und Regenjacke, die wir nie wieder trocken bringen würden? Unsere Heizung läuft ja noch immer nicht…
Unsere nächste Fahrt ins Landesinnere brachte uns nach Curitiba, wo Verwandte von Felix leben. Wir waren zu Gast beim Cousin Alexander und seiner Frau. Die wohnen zusammen mit zwei Schwestern und den Eltern von Luciana in einem privaten 4-er Condominium. Wir wurden also gleich von der Grossfamilie willkommen geheissen und alle blieben zum Apéro, zum Mittagessen, zum Dessert und zum Nachtessen. Wein und Bier floss zuhauf, ich wurde mit zwei Caipirinhas abgefüllt und in die Herstellung von Brigadeiros eingeführt. Filou lief derweil frei im Haus herum und kuschelte mit jedem, der sich aufs Sofa setzte.
Am nächsten Morgen gab es natürlich Frühstück, bevor uns Alexander die wunderschönen Parks und die Wire Opera von Curitiba zeigte. Danach waren wir von Felix Tante Neusa ins Restaurant eingeladen. Auf ein Apéro-Plättchen folgte ein grosser Salat, dann wurden für fünf Personen 2 Gerichte bestellt, von denen viel für Neusas Portier zurückblieb. Inzwischen hätte man mich über die Strassen kugeln können! Oder als 5. Rad am Wohnmobil montieren können! Als wir zum Condominium zurückkehrten, hatten sich noch weitere Familienmitglieder eingefunden und es schien im gleichen Stil weiterzugehen, wie Tags zuvor! Wir verabschiedeten uns von der grossen Gesellschaft und suchten für die Nacht einen der grossen Parks auf, damit Filou mal wieder richtig rennen konnte. Und wir hinterher…Die Herzlichkeit, die wir bei diesen mir grösstenteils fremden Menschen erleben durften, hat mich total geflasht! Schön war das!
Das Wetter in Curitiba war kühl und regnerisch gewesen, und dasselbe Wetter fanden wir auch an der Küste vor. Der Dauerregen setzte ganze Strassen unter Wasser. Nix mit Sommer, Sonne, Strand! So machten wir uns auf den Weg nach Blumenau, wo wir auf dem Gelände des deutschen Kulturvereins übernachten konnten. Hier trafen wir gleich auf drei deutsche Pärchen, die in LKW-Womos unterwegs waren. Emma kam sich daneben schon wie ein Winzling vor. Bis jetzt waren wir kaum Europäern in Brasilien begegnet, warum also gerade hier? Das Oktoberfest galt wohl als Magnet! Hat ja auch uns angezogen, obwohl wir noch nie an einem Oktoberfest waren und auch nicht unbedingt auf die dort gespielte Musik stehen. Aber Bier mögen wir. Und Brasilianern in Lederhose und Dirndl beim Feier und Tanzen zuschauen, mögen wir auch. So verbrachten wir den Eröffnungsabend und den Folgeabend am Oktoberfest bei Bier, Wurst und deutschem Schlager und hatten ein Gaudi. Leider wurde danach das Fest für fünf Tage unterbrochen, da die starken Regenfälle den Wasserspiegel vieler Flüsse schon mächtig anschwellen liess und man in den nächsten Tagen Überschwemmungen erwartete. So zogen wir weiter, in der Hoffnung, nicht irgendwo auf einen Erdrutsch zu treffen. In Ortschaften, durch die wir in der Folge fuhren, hatte es viele Kleiderfabriken. Dementsprechend hatte es auch viele kleine Läden, die günstige Kleider anboten. Unsere Schubladen sind immer noch zum Bersten voll, so interessierte uns das nicht weiter. So fuhren wir wieder an einem Gebäude vorbei, von dem Felix meinte, es handle sich um ein Geschäft für Unterwäsche. Er zeigte mit dem Finger auch gleich auf meine Strassenseite und sagte: „Schau, die stellen sogar die Schaufensterpuppen nach draussen!“. Das vermeintliche Kleidergeschäft war aber ein „Hotel“ und die in Reizwäsche gekleidete Schaufensterpuppe funkelte uns böse an!
Von der verregneten Küstenstadt Florianopolis fuhren wir mitten hinein ins grösste Apfelanbaugebiet Brasiliens ins deutsche Fraiburgo. Auf dem Weg waren wir schon an kleineren Erdrutschen vorbeigefahren, in Fraiburgo standen aber viele tiefergelegene Strassen unter Wasser, weil der See überlief. Während des Abendspazierganges zeigte sich die Sonne seit Tagen das erste Mal wieder und die Nacht blieb trocken, so war der See am nächsten Morgen wieder, wo er hingehörte und die Strassen schon beinahe trocken. Kaum fuhren wir wieder los, begann auch der Regen wieder. Es regnete in Luzerna, und es regnete in Dreizehn Linden, das wir gerade erreichten, als die Messe in der Kirche zu Ende ging. Die Leute strömten heraus. Zuerst die Blasmusik in ihren Uniformen, dann folgten die Damen und Herren in Dirndl und Lederhose. Servus!
Das Strudelhaus war leider noch geschlossen, so fuhren wir nach einem kurzen Spaziergang durchs Tirol weiter zu den heissen Quellen von Piratuba. Wenn man nicht schon im Bademantel nach einem Gang durchs Dorf beim Bad ankommt, muss man mit den Strassenschuhen die Becken umrunden, um zu den Garderoben zu gelangen. Also eine Garderobe. Die Kleider stopft man in den mitgebrachten Sack und stellt diesen auf einen der Stühle am Beckenrand. In Gruppen standen Leute beisammen und unterhielten sich im warmen Wasser stehend. Durst? Ein Schluck aus der Bierflasche sorgt für Abhilfe. Das fanden wir so lustig, dass Felix uns auch zwei Biers kaufen ging. Während er weg war, beobachtete ich, wie einer der Biertrinker von der Reinigung zurechtgewiesen wurde. Ok, doch nicht erlaubt. Aber da die Putzkraft nach draussen verschwand, kümmerte es niemanden mehr.
Wir übernachteten unten im Dorf und sahen am nächsten Morgen wieder Leute im Bademantel in Richtung Bad auf dem Berg spazieren. Jetzt hatte es endgültig aufgehört zu regnen, die Flüsse führten aber immer noch viel braunes Wasser. Viele Bäume standen im Uferbereich noch in den Fluten.
Next Stop Ibema. Hier waren wir bei einem Schweizer Freund von Felix brasilianischen Cousins Marcel (der in der Schweiz lebt) eingeladen. Die Ehefrau Vera entstammt der Gründungsfamilie des Ortes und das Paar lebte über 20 Jahre gemeinsam in der Schweiz, in Glattbrugg. Nach der Pensionierung von Rolf konnten sie das schöne Blockhaus einer Tante übernehmen und leben nun in der Kleinstadt, wo jeder jeden kennt. Wir kamen in den Genuss einer Besichtigung der Familien-Fazenda etwas ausserhalb Ibemas. Die Ländereien sind verpachtet, aber an Wochenenden treffen sich ab und an die Besitzerfamilien, um zu reiten und bei gutem Essen das Leben zu feiern. Ein bisschen Telenovela mässig. Ich hoffe ohne Dramen. Ganz lieben Dank Rolf und Vera für eure Zeit, eure Gesellschaft und die Gespräche über Brasilien!
Von Ibema waren es nur noch 200 Km bis nach Foz de Iguazu. Hier mussten wir für die Ausreise nach Paraguay als erstes Filous Papiere in Ordnung bringen, dann konnten wir uns den Wasserfällen und dem Staudamm Itaipu widmen.
Dummerweise hatten wir nicht mit einem Feiertag am Donnerstag gerechnet. Wir wurden beim Tierarzt auf Freitag vertröstet. So erledigten wir das eben 24 Stunden später. Die ausgefüllten Papiere wurden nur zur Autorisierung ans Ministerio da Agricultura geschickt. Sobald der Tierarzt das Ok bekomme, würden sie alles ausdrucken, und wie könnten mit den Ausdrucken beim Ministerium vorbeigehen, und die Ausreisepapiere für Filou bekommen. In der Zwischenzeit konnten wir zu den Fällen fahren und uns den Menschenmassen anschliessen (langes Wochenende wegen Feiertag am Do). Wir waren schön gespannt, ob man die vielen Regenfälle der letzten zwei Wochen merken würde. Und ja, da floss ganz schön viel braunes Wasser die Fälle hinunter! Überall wo man hinschaute, stürzten Wassermassen in die Tiefe. Wir hatten gelesen, dass die Fälle von der argentinischen Seite her viel eindrucksvoller sein sollen, das können wir uns jetzt gar nicht vorstellen. Noch eindrucksvoller??? Zwischen und um die Fälle herum steht saftig grüner Regenwald, in dem sich Nasenbären und Riesenechsen tummeln. Und anscheinend auch Jaguare.
Inzwischen haben wir vom Tierarzt erfahren, dass Filous Papiere bereit sind. Wir wollen uns durch diese Nachricht nicht zur Eile anstacheln lassen und geniessen den Spaziergang im Regenmänteli sehr, obwohl wir manchmal im Stau stehen, um auf eine Plattform zu gelangen. Der Steg, der richtig in den Fluss hineinführt, war leider geschlossen. Das Hochwasser ist nur wenige cm unter dem Fussweg.
Mit dem Taxi ging es dann direkt zum Tierarzt und dann ins Ministerio da Agricultura. Es war nach 15 Uhr und wir hofften, dass wir noch eine Ausreiseerlaubnis erhalten würden. Aber leider war nur noch der Wachmann anwesend, die Angestellten waren schon im Wochenende! Was für ein Pech aber auch. Jetzt mussten wir bis Montag warten! Nicht, dass wir nichts zu tun gehabt hätten… Felix arbeitete fleissig und ich schrieb den Bericht und bereinigte die Fotos. Dazwischen nahmen wir an einer Führung beim Itaipu-Staudamm teil, dem zweitgrössten Wasserkraftwerk der Welt, das als Gemeinschaftsprojekt der Diktaturen Paraguay und Brasilien zwischen 1975 und 1982 gebaut wurde und an dem Felix Onkel als Ingenieur mitgearbeitet hatte. Leider war die spannende Tour ins Innere des Kraftwerks ausgebucht und die Bustour mit zwei Stopps und schnell heruntergeratterten Lautsprechererklärungen war das Geld kaum wert.
Die erlaubte Aufenthaltsdauer von drei Monaten ist beinahe um und wir verabschieden uns nach Paraguay mit der Sicherheit, wieder zu kommen. Uns hat Brasilien extrem gut gefallen. Das Pantanal und die endlosen Palmenstrände haben uns verzaubert und wir sind sehr gespannt, wie uns dann der Norden und der Amazonas gefallen werden. Für jetzt stossen wir mit unserem letzten brasilianischen Caipirinha an. Prost und bis bald!