Running around in circles and getting somewhere!
Wir haben ja noch soviel Zeit, bis s’Wyler in Misiones (Argentinien) sind, da können wir uns locker Paraguay ansehen. So der Gedanke. Dass Paraguay etwa so gross wie Deutschland und die Schweiz zusammen ist, war uns nicht wirklich bewusst. Wir hatten ja auch nur einen Reiseführer aufs Handy runtergeladen, und der kam ganz ohne Landkarten aus… Von Foz de Iguazu führt eine Brücke über den Rio Parana hinein in die chaotische Grenzstadt „Ciudad del Este“ in Paraguay. Hier liegt alles für die kaufwilligen Brasilianer bereit, in riesigen Einkaufstempeln voller Elektrogeräten (ich liebäugelte mit einem E-Trotti) und an verstopften Strassen in allerlei Geschäften. Importware, die in Brasilien unbezahlbar ist, ist in Paraguay erschwinglich. Aber so einfache Sachen wie einen Bancomaten oder Sim-Karten-Verkäufer mussten wir echt suchen. Ab dem Gewusel standen mir die Haare zu Berge. Den ganzen Montag hatten wir mit Organisatorischem vertan, aber bei der Herumkurverei hatten wir immerhin einen Ort zum Übernachten am Strassenrand entdeckt. Rechts ein kleiner See für Hundespaziergänge, links ein Restaurant zum Essen. Kaum hatten wir unsere Füsse hochgelegt, klopfte es an der Türe. Beto stand da. Der Chef-Bierbrauer vom Restaurant/Brauerei nebenan. Er interessierte sich sehr für unsere Reise und wir unterhielten uns lange. Dann verschwand er im Restaurant Distrito und kam mit zwei Mass Bier und zwei Flaschen Bier wieder. Geschenkt. Zudem hatte er uns eine Besichtigung der kleinen Brauerei am nächsten Morgen organisiert. Wie nett die Leute hier sind! Nach dem Mass Bier liessen wir uns zum Abendessen nochmals zwei servieren. So schliefen wir trotz der lauten Musik vom Lokal her doch sehr gut.
Die Brauerei ist wirklich sehr klein und das Bier zur Degustation am Morgen war mir zuwider, so musste Felix herhalten. Es stellte sich heraus, dass es nicht am Bier lag, sondern an einer Magenverstimmung, die mich heimsuchte und mich bei der Weiterfahrt auch von einem Besuch einer Schweizer Käserei abhielt. Der Käse, den Felix kaufte, schmeckte erstaunlich gut.
Inzwischen hatten wir Nachrichten von unseren Freunden sWylers. Sie würden am 21. Oktober in Misiones sein. Verflixt, doch keine Zeit, das Ländchen Paraguay anzuschauen! Wir steuerten den nächstgelegenen Grenzort an und reisten, nach laaaanger Wartezeit an der Grenze, nach Argentinien aus. Ohne dass sich Filou bemerkbar gemacht hätte. Wie ich, liebt er die paraguyanische Spezialität Chipa (Käsebällchen) sehr und liess sich damit unter meinem Rock füttern und verhielt sich dabei ruhig. Von jetzt an werde ich immer einen Rock tragen und Chipas dabei haben, wenn wir an eine Grenze kommen, dann brauchen wir weder Tierarzt noch Vet.-Amt! 🙂
Auf dem Weg nach Obera, wo wir bei Barbara Weber und ihrer Familie unterkommen würden, besuchten wir noch die Ruinen der Jesuitenmission Santa Ana, für zwei weitere blieb uns aber keine Zeit mehr. Zudem regnete es immer mal wieder. Hört denn dieses sch… Wetter nie mehr auf?
Bei Barbara Weber auf dem Establecimiento Enzian angekommen, mussten wir durch ein Tor fahren. Leider war es zu niedrig und zertrümmerte unsere Dachluke. Fix war es mit Plastik überzogen und abgeklebt, so dass künftige Regengüsse nicht unser Badezimmer unter Wasser setzen würden. Irgendjemand würde uns eine neue Abdeckhaube bringen müssen… Aber vorerst sahen wir uns in Barbaras Zuhause um. Da war das Haupthaus, wo die Familie lebte, daneben das Haus von Grosi, gegenüber die zwei Cabañas, die vermietet werden. Und hinten im Garten die Pferdeboxen und der gedeckte Reitplatz, wo Barbaras Mann Nestor Hippotherapie anbietet. Die Pferde verbringen den Grossteil des Tages auf der Weide und werden für die Therapie und nachts hereingeholt.
Der Argentinier Nestor und die argentinisch-schweizerische Doppelbürgerin Barbara hatten sich in der Schweiz kennengelernt. Sie machte eine Verkaufslehre in der Konditorei Klaus in Bülach, er pflegte in der Sommersaison Polopferde in Genf. Nach der Heirat zog es die beiden nach Argentinien zurück, wo sie eine Familie gründeten. Die Pläne, eine Molkerei/Käserei zu betreiben mussten nach der Geburt der dritten Tochter aufgegeben werden. Die körperliche Beeinträchtigung von Catalina erforderte Barbaras ganze Zeit und Aufmerksamkeit. So zogen sie nach Oberá, wo Barbaras Eltern lebten. Nestor nahm Catalina immer wieder mit aufs Pferd und merkte, wie gut ihr die Bewegungen des Pferdes taten. So absolvierte er eine Ausbildung und bietet nun auch anderen Kindern und Erwachsenen die Hippotherapie an.
Wir wurden am Familientisch aufgenommen und gewannen Einblicke in ihr Leben. Als unsere Freunde Richard und Sylvia Wyler am nächsten Tag eintrafen (und uns viele Sachen aus der Heimat mitbrachten), wurden auch sie herzlich willkommen geheissen.
Nach einem feinen Asado von Nestor und einem Nachmittag beim Kartenspielen verabschiedeten wir uns am Montagmorgen und fuhren im Tandem in Richtung Iguazu-Fälle auf der argentinischen Seite, welche wir uns bei strömendem Regen zu viert anschauten.
Die Wassermassen, die über die Abbruchkanten stürzten, hatten noch zugenommen seit unserem Besuch auf der brasilianischen Seite. Überall donnerte und schäumte Wasser. Spaziert man in Brasilien dem Wasser entlang, mit nur einem Steg übers Wasser hinaus (der bei uns geschlossen war), so überquert man in Argentinien die Flussläufe immer wieder und befindet sich oft genau über der Abbruchkante. Überwältigend schön! Genauso wenig wie die Besucher, störten sich die vielen Nasenbären am Dauerregen. Während wir bis auf die Unterhose nass wurden, perlte der Regen am Fell der frechen Tiere ab. Während wir es uns nach dem Spaziergang im Buffetrestaurant gut gehen liessen, stibitzten ganze Clans von Nasenbären alles Ess- und nicht Essbare, das sie erwischen konnten.
Am nächsten Morgen reisten wir gemeinsam nach Brasilien. Felix und ich zogen uns gleich auf den Campingplatz zurück, Sylvia und Richard besuchten die hiesige Seite der Iguazu-Fälle bei strahlendem Sonnenschein! Glück gehabt! Keine zwei Wochen später mussten alle Besucherstege im gesamten Iguazu-Gebiet wegen extremem Hochwasser geschlossen werden. Einige der Stege wurden gar von den Wassermassen mitgerissen.
Inzwischen hatten wir jemanden gefunden, der uns eine neue Dachluke aus der Schweiz mitbringen würde. Wir mussten am 9. November in Nueva Helvecia, Uruguay sein, wenn Ruth und Walter Odermatt vom Heimaturlaub zurückkehrten, mit unserem Fenster im Gepäck. Wir verabschiedeten uns von sWylers. Uns blieben genau 10 Tage, um nochmals ein klein wenig von Paraguay zu sehen. Und Auswanderer und auswanderwillige Deutsche kennenzulernen. Ihr Thema ist immer das Gleiche: In Deutschland gibt es zu viele Regeln und Gesetze, man ist nicht frei. So viele Einwanderer! Fremde Menschen, die sich breitmachen, sich nicht anpassen! Also packt man sein Hab und Gut zusammen und wird selber zum Einwanderer, der sich nicht anpasst, da man die Sprache nicht beherrscht und lieber unter Seinesgleichen ist. Die europäische Rechtssicherheit wird durch paraguayanische Unsicherheit und Korruption getauscht. Viel Spass in der schönen neuen Welt! Wir schütteln da nur den Kopf und erzählen gar nicht erst von unserer Begegnung mit der korrupten Polizei. So schön und vielfältig Paraguay auch sein mag, da würde ich nie leben wollen. Selbst wenn ich Coronaleugner oder Impfgegner wäre nicht!
Aber schön und vielfältig ist das Land. Von Jesuitenmissionen bis zu modernen Grossstädten, von morschen Hütten bis zu Palästen, vom staubtrockener Chaco bis zu üppig grünen Weiden. Glaubt man, man kenne Paraguay jetzt, ändert sich unvorhergesehen das Bild und man bekommt eine neue, unerwartete Sicht aufs Land.
Wir nahmen denselben Grenzübergang nach Argentinien wie zu vor. Hier war nun wieder alles unter Wasser. Ganze Stadtteile gingen Baden und bei dem misslichen Wetter taten wir das auch. Im Grenzgebiet zu Uruguay gibt es einige Thermalbäder. Wir bezahlten 50 Rappen für den Tageseintritt in Chajari und wärmten uns auf. Wir übernachteten im Städtchen und fanden gleich nebenan ein sehr nettes Restaurant. Am nächsten Tag schmuggelten wir Filou bei strahlendem Sonnenschein in den Parque Nacional El Palmar mit seinen hunderttausend Palmen und beinahe ebenso vielen Wasserschweinen.
In Colon überquerten wir den Hochwasser führenden Rio Uruguay und erreichten Paysandu in Uruguay. Auch hier lagen die flussnahen Stadtteile unter Wasser, wie es schien schon länger und wahrscheinlich auch noch für länger. Keiner schien sich daran zu stören, man trug es mit Fassung und Gleichmut.
Uns blieben noch zwei Tage bis Nueva Helvetia. Wir gondelten südwärts und stiessen auf das absolut sehenswerte Colonia Del Sacramento.
In Nueva Helvecia bei Rolf auf der Granja Hotel Suizo, einem Hotel mit Campingmöglichkeit (und Platz um den Camper während dem Heimaturlaub unterzubringen) trafen wir lauter Schweizer an. Neben den soeben angekommenen Ruth und Walter Odermatt, waren auch Edi und Brigitte sowie Wolfgang und Dorly da. Das rief geradezu nach einem gemeinsamen Apéro und anschliessendem Abendessen unter den Bäumen. Dabei wurden Anekdoten und Reisetips ausgetauscht und auf die nächsten Abenteuer angestossen.
Die mitgebrachte Dachhaube war schnell montiert (lieben Dank nochmals Ruth und Walter) und wir verliessen die Gemeinschaft schon bald wieder. Mit im Gepäck ein neues Objektiv für Richard Wyler. Er hatte auf dem Ponton im Pantanal nicht seinen Hund verloren, sondern sein Objektiv geschrottet. Scheint ein gefährliches Pflaster zu sein, dieses Pantanal!
Wylers würden wir in Nordargentinien irgendwo treffen, aber bis dann blieb uns ja Zeit, uns Uruguay anzusehen. Ist ja nicht ganz so gross, wie Paraguay! 🙂
Wir wollten wiedermal Meer und so zog es uns zum nächsten Schweizer mit Overlander-Platz, nämlich ins Paraiso Suizo direkt am Atlantik. Doof, ist das Meer hier so kalt! So spazierten wir dem Strand entlang und schwelgten in Erinnerungen an den warmen Atlantik ein paar hundert Kilometer weiter nördlich in Brasilien.
In der urguayanischen Hauptstadt Montevideo blieben wir zwei Tage, danach verlangte es uns wieder nach Natur und einsame Landstriche. Das erste fanden wir, das zweite eher weniger. Aber Hauptsache, die Sonne schien und das Meer glitzerte!
In La Paloma trafen wir Reni und Marcel, die Swiss Nomads und verbrachten einen gemütlichen Abend zusammen. Von ihnen erhielten wir den Tip, wo unsere Heizung geflickt werden könnte. Wir machten uns am nächsten Tag gleich auf den Weg (zurück wo wir hergekommen waren;-)). Dort stellte sich heraus, dass die Heizung irreparabel ist, weil inwendig geschmolzen. Aber sie konnten uns eine gleichwertige bestellen, die käme am Samstag und sei dann am Montag eingebaut. Wir stimmten zu, bis Filou am Abend vom Hof-Schäferhund durch die Mangel gedreht wurde, so dass er auch am nächsten Morgen noch vor Schmerzen schrie, wenn er an der falschen Stelle berührt wurde, oder irgendwo heruntersprang. Die Gefahr, dass beim nächsten Angriff alle vier Hunde sich auf Filou stürzen würden war gross und so stornierten wir die Bestellung und verliessen die Werkstatt/den Campingplatz fluchtartig, jetzt ganz ohne Heizung.
Wir brausten mit einem lädierten Hund nordwestwärts, in Richtung Salto an der Argentinischen Grenze. Wieder fuhren wir durch überflutete Ortschaften und vorbei an unbrauchbaren, da gefluteten Campingplätzen. Aber wir fanden immer einen guten Schlafplatz an der Haupt-Plaza. Wir hatten eine Technik entwickelt, bei der Filou nicht mehr vom Bett oder aus dem Womo springen musste und mit seinem Geschrei dabei die ganze Bevölkerung auf den Plan rief: Wir hoben seinen Hundekorb aufs Bett, Filou musste reinsteigen, dann trugen wir ihn so nach draussen, stellten den Korb ab, und Hund konnte aussteigen. Die Technik war inzwischen so ausgefeilt, dass wir an einem Morgen gar nicht merkten, dass es ihm besser ging. Wir waren noch voller Sorgen und brachten ihn endlich zum Tierarzt mit der Bitte, seine Rippen zu röntgen. Das Geld für den Untersuch hätten wir uns sparen können. Auf den Bildern war nichts zu sehen. Der Tierarzt fand ein paar rote Flecken auf der Haut, die auf Prellungen hinwiesen, sonst nichts. Es schien ihm auch nichts mehr weh zu tun! Wenigstens haben wir nun auch einen uruguyanische Tierarztpraxis von innen gesehen und können unsere Bestenliste ergänzen. 😉
Es wurde Zeit, mit dem Herumkreisen aufzuhören und uns ganz und gar auf Argentinien zu konzentrieren. Mehr davon in unserem nächsten Blogbeitrag. Der lässt bestimmt (ehrlich!) nicht lange auf sich warten. Versprochen! Hoch und heilig!