7.-23.12.2024
Am 7. Dezember liessen wir die Küste Brasiliens endgültig hinter uns. Ob wir wohl je wieder zurückkehren? Ein Häuschen am Palmenstrand wäre schon schön. Vielleicht würden wir dann tatsächlich auch Portugiesisch lernen… 😉
Die Strecke nach Belem war langweilig, so dass ich bald einschlief und erst erwachte, als wir uns dem Stadtzentrum näherten. Mittendrin fanden wir vor dem Theater einen grossen Parkplatz, der am Samstagnachmittag gähnend leer war. Und gerade als wir uns aufmachen wollten, die Innenstadt zu besichtigen, ging ein gewaltiges Gewitter nieder und die Strassen waren in Kürze leergefegt. Eine Stunde lang regnete es, was das Zeug hält, dann kehrte die Sonne sehr zögerlich zurück und mit ihr die Fussgänger, die über Pfützen hüpften oder in ihren Flipflops einfach hindurch wateten. Wir marschierten hinunter zum Hafen und Richtung Markt. Hunde sind im modernen Center dem Fluss entlang nicht erwünscht und so mussten wir durch die feuchte Hitze laufen, anstatt durch die umgebauten, klimatisierten Lagerhäuser mit den Restaurants, Eisdielen, Souvenirgeschäften und Luxusläden.
Im und um den Markt herrschte ein riesen Gewusel, Platz am Schatten für einen kühlen Drink fanden wir keinen, so spazierten wir weiter zur Kathedrale. Um hierher zu gelangen, mussten wir an einem Park vorbeigehen, wo hunderte Obdachlose hausten. Die Obdachlosen, deren es viele gibt in Brasilien, haben uns noch nie belästigt oder auch nur angesprochen. Trotzdem war es mir sehr unangenehm, da vorbei zu spazieren. Ich, die „reiche“ Weltenbummlerin und die, die nicht mal zwei gleiche Flipflops besitzen. Wir beschrieben einen kleinen Bogen und standen schon vor der barocken Fassade der zwischen 1719 und 1755 gebauten Kirche. Hinein konnten wir nicht, denn ein Volkslauf fand gerade statt und verunmöglichte uns, das Portal zu erreichen. So spazierten wir durch den schön angelegten Blumenpark hinüber zum Fort „Forte do Presépio“ aus dem Jahr 1616. Viel zu sehen gab es nicht, nur ein ehemaliger Wassergraben, dicke Mauern und verrostete Kanonenrohre. Für den Weg nach Hause liessen wir uns von Maps.me führen, und ich hoffte, dabei keine Armenviertel durchlaufen zu müssen. ;-). Wir kamen heil an unserem Theater „da Paz“ an, das als wichtigstes Kulturhaus im Norden Brasiliens gilt. Der Parkplatz hatte sich gefüllt, denn die Aufführung des „Nussknackers“ stand an und die Besucher warteten schwatzend vor dem Theater. Mädchen in hübschen Kleidchen und Jungs in Anzug und Krawatte. Und dann gabs natürlich auch die kleinen Ballerinas in ihren Tutus, zuckersüss! Von unserem Wohnmobil aus hatten wir eine tolle Sicht auf das Geschehen.
Am nächsten Tag war grosser Warenmarkt rund um die Plaza, alles etwas weihnachtlich angehaucht, aber ohne Glühwein. Bei den Temperaturen um die 30 Grad wäre ein kühler Weisswein auch passender gewesen. Ohne Filou machten wir uns dann wieder auf zum Fluss und dem Fischmarkt, wo wir uns ein leckeres, günstiges Mittagessen gönnten. Diesmal durften wir die renovierten Lagerhallen betreten und genossen die Abkühlung bei einem italienischen Eis.
Inzwischen war unser Amazonasschiff angekommen und wir mussten mal hinlaufen, und uns unsere Reservation bestätigen zu lassen. Die Löschung der Fracht aus Manaus war in vollem Gang und wir standen da und staunten. Was da alles transportiert wurde! Ob es in Manaus wohl eine Motorradfabrik gab? Oder warum wurden nigelnagelneue Motorräder von der Urwaldmetropole nach Belem geschifft? Was wohl die 10’000 Säcke enthielten, die auf LKWs gehievt wurden? Dann folgten Melonen in Kisten, Bleche und Metallstangen, Autos und Boote. Als ein Starkregen niederging pausierte die Löschung für beinahe eine Stunde und trotzdem hatte der Kapitän keine Zeit für uns. Wir standen herum und im Weg bis wir kaum noch stehen konnten. Dann endlich wurde Felix zum Kapitän vorgelassen um das weitere Vorgehen zu besprechen. Nach einer weiteren Stunde wussten wir Bescheid: Die Nacht vor der Abfahrt würden wir auf dem Hafengelände verbringen müssen, damit wir am nächsten Tag bereit zu Verladen sein würden. So konnten wir den ganzen Mittwoch lang das Beladen des Schiffes beobachten. Uns schien, als würden dieselbe Ware, die am Montag entladen wurde, wieder geladen:). Aber es wurde eng, sehr eng. Wir waren dann das erste Fahrzeug, dass aufs Schiff fahren durfte, die weiteren wurden wie im Tetris um uns herum platziert. Der Kapitän persönlich übernahm diese schwierige Aufgabe. Endlich war das Schiff abfahrbereit, die Passagiere hatten ihre Hängematten auf zwei Decks dicht an dicht aufgehängt und ihr „Zuhause“ für die nächsten Tage bezogen. Wir waren froh, dass wir unser Wohnmobil hatten! Und Filou konnte sich auch glücklich schätzen, denn die anderen Fahrgäste-Hunde mussten in Transportboxen ausharren und nur auf dem untersten hinteren Deck sein. Kurz nach Sonnenuntergang fuhr die „Rondonia“ aus dem Flusshafen von Belem aus und vor uns lagen 5 Tage „Kreuzfahrt“.
Vor allem der erste Tag war wundervoll. Wir befuhren einen Nebenarm des Amazonas und die beiden Ufer waren gut sichtbar. Der Urwald reichte hier bis ans Wasser und immer wieder standen da Holzhäuser auf Stelzen. Kinder spielten auf den Stegen und in Booten im Wasser, Erwachsene ruhten sich im Schatten aus. Sogar ein Schulboot (Schulbus zu Wasser) fuhr an uns vorbei mit winkenden Schüler auf dem Heimweg. Ich sass im Schatten des Wohnmobils und liess die Landschaft an mir vorbeiziehen. Bei einem ersten Halt verliessen ein Paar Passagiere das Schiff, andere stiegen zu. Da auch Ware abgeladen wurde, war der Halt lange genug, dass ich mit Filou an Land den Park aufsuchen konnte. Filou konnte sich erleichtern und war erleichtert. Er hat echt Mühe, sein Geschäft an Bord zu machen, nicht mal mehr die Autoreifen waren interessant genug!
Spannend war es, den fliegenden Händlern zuzuschauen. An langen Stangen reichten sie Essen zum zweiten Deck hoch, das Bezahlgeld wurde in ein Eimerchen gelegt und fand so den Weg nach unten. Übrigens wurde auch an Bord Essen ausgegeben, wir verzichteten aber darauf, wussten wir doch noch von unserer Bootsfahrt im Pantanal, was uns erwartet hätte. Wir hatten in Belem gut eingekauft und bekochten uns selber.
Inzwischen waren wir auf dem Amazonas-Hauptfluss. Breit und träge zog er dahin, die Ufer meist weit weg. Wir kreuzten Containerschiffe und lange Holztransportkähne, mehr passierte den ganzen Tag nicht. Bei einem der Stopps wurden noch mehr Autos geladen und so fand ich für meinen Campingstuhl keinen Platz mehr. Wir sassen von nun an meist im Wohnmobil und blickten aus den Fenstern. In Santarem legten wir einen längeren Halt ein und ich spazierte mit Filou in die Stadt und kaufte in einer Bäckerei frisches Brot ein. War das schön, sich wiedermal zu bewegen! Hört sich das ganze etwas langweilig an? Vielleicht schon. Wir hatten uns mehr Ufernähe und Tiersichtungen vorgestellt, wie im Pantanal. Aber sich einfach den ganzen Tag treiben zu lassen, war schon schön. Abends tranken wir dann einen Sun-Downer an der Reling bevor der aufregende Spaziergang mit Filou um die engstehenden Autos begann und das Nachtessen auf dem Herd brutzelte. 24 Stunden nachdem wir Santarem verlassen hatten, erreichten wir Manaus. Urwaldmetropole? Den ersten Teil des Wortes sahen wir nicht. Nur ein Häusermeer. Als erstes durften die Hängematten-Passagiere von Bord, danach wurde ein Auto nach dem anderen über die Rampe an Land gefahren. Endlich waren wir an der Reihe und konnten nach fünf Tagen auf dem Amazonas die „Rondonia“ verlassen.
Wir fanden in der Stadt einen gut gelegenen Parkplatz für Emma, wir zogen aber für ein paar Tage in ein Airbnb. Die Wohnung war zwar potthässlich, aber sauber und perfekt gelegen. Mit wenigen Schritten erreichten wir die Hauptplaza beim Opernhaus. Hier war alles weihnachtlich dekoriert und es gab am Nachmittag und Abend Spiel und Spass für die Kleinen und Konzerte für die Erwachsenen. Rund um den Platz gab es Restaurants unter freiem Himmel, die jeden Abend gut besucht waren. Endlich wieder nicht selber kochen! 🙂
Nach drei Tagen der Stadtbesichtigung fuhren wir am 19. Dezember weiter. Am 25. müssten wir spätestens Brasilien verlassen, da aber der venezolanische Zoll an Wochenenden und Feiertagen nicht arbeitet, mussten wir schon am 23. Dezember ausreisen.
Die Fahrt nach Boa Vista führte über 120Km durch Indigenen-Gebiet. Hier galten die Regeln: nicht anhalten, nicht aussteigen, keine Indigenen fotografieren. Ok, damit konnten wir gut leben. Die Strasse war gut und die Landschaft fantastisch. Uns schien es, selten so gut erhaltenen Urwald gesehen zu haben. Baumriesen, Sümpfe, schwarze Flüsschen. Ganz zum Schluss sahen wir auch einige Indigene der Strasse entlang laufen mit den typisch kurzen Rundschnittfrisuren. Manchmal werden eben Vorstellungen (Vorurteile?) bestätigt. 🙂
Für die Nacht erreichten wir einen Parkplatz beim Äquator. Emma und Filou schliefen das erste Mal seit wir wieder unterwegs waren (gut 2 Jahre) wieder auf der Nordhalbkugel!
Am nächsten Tag erreichten wir Boa Vista, an dessen Stadtrand eine erste grosse Zeltstadt für Venezuela-Flüchtlinge steht. Ein trostloser Anblick! Die 450’000 Einwohner-Stadt wirkte etwas verschlafen. Vielleicht liegt das an der sehr grosszügigen Bauweise? Alle Hauptstrassen sind vierspurig und breit und auch die vielen Parks wirken überdimensioniert. Wir blieben 2 Tage und schliefen von Polizisten gut bewacht auf dem Hauptplatz. Attraktiv war für uns vor allem das Flussufer des Rio Branco, wo sich abends an den Essensständen die Einheimischen einfanden. Hier war auch wieder alles bunt und weihnachtlich beleuchtet und dekoriert und die Leute sassen im Park auf Decken und genossen den Abend. Im eintrittsfreien Wasserspritzpark vergnügten sich die Kleinen, während die grösseren Kinder mit ihren Fahrzeugen die breiten Gehwege unsicher machten. Wir werden die Ungezwungenheit und Fröhlichkeit der Brasilianer vermissen. Wir werden ganz Brasilen vermissen!
Vor der Ausreise füllten wir unser Womo mit Lebensmittel und Wasser und Diesel und Filou erhielt seine im Januar fällige Tollwutimpfung… man weiss ja nicht, ob es in Venezuela Tierärzte gibt! 🙂
Wir nahmen die letzten 200 Kilometer unter die Räder und warteten im Grenzort Pacaraima bis die Grenze am nächsten Morgen öffnete. Wir standen für die Nacht auf dem Parkplatz eines Restaurants. Zuerst hiess es, wir könnten nicht da essen, weil eine Hochzeitsgesellschaft erwartet würde, aber dann stellten sie einen Tisch und Stühle vor unser Womo und wir erhielten dasselbe wie die Hochzeitsgäste, samt Hochzeitstorte! Ob das Brautpaar wohl davon wusste? 🙂
Pünktlich um 9:00 Uhr standen wir an der Grenze. Ausreise Brasilien war kein Problem, den Stempel in den Pässen auf der venezolanischen Seite hatten wir auch schnell, aber das Ausfüllen der Papiere für den temporären Import des Fahrzeugs brauchte seeehr lange. Vielleicht waren sie schon in Feiertagslaune… Egal, wir wollten an diesem Tag nicht weit fahren, sondern nur in den nächste Ort Santa Elena. Hier mussten wir eine Sim-Karte kaufen und wenn möglich Geld wechseln. Aber niemand wollte uns die Reais aus Brasilien in Bolivares aus Venezuela tauschen. Sie hätten ihre eigene Währung nicht! Aber man könne alles in Dollar bezahlen und darum sei das ja kein Problem. Diese Währung hatten wir dabei, um die Reais loszuwerden wechselten wir aber doch noch. Dann spazierten wir durch den quirligen Ort und fanden ein tolles Cafe mit richtigem Espresso und Cremeschnitten! Das fing ja vielversprechend an! Ob Venezuela sein Versprechen hielt, erfahrt ihr im nächsten Bericht.
Wieder so gut und unterhaltend geschrieben! War life dabei ;-D