15.6. – 10.7.2023
Das bolivianische Grenzkontroll-Häuschen auf dem Paso Portezuelo del Cajón (4’500 M.ü.M.) liegt auf einer windgepeitschten Hochebene. Mit unseren Pässen in den Händen, stiegen wir aus dem Auto und eilten der Kälte wegen schnell auf eine Türe zu, in der Hoffnung auf Wärme. Hier in der Migracion wurden unsere Pässe abgestempelt und wir mussten wenige Kilometer weiterfahren, zur Aduana. Wir traten in ein spärlich möbliertes Zimmer, der Zollbeamte stand im dicken Wintermantel und mit Mütze hinter dem Schalter und bedeutete uns, ein Einreiseformular (Zolldeklaration) online auszufüllen. Nun, das dauert bei uns immer noch ein Weilchen (wegen der Sprache) und die klammen Finger halfen auch nicht, schneller zu sein. Der Raum war ungeheizt! Man stelle sich solche Arbeitsbedingungen in Europa vor! Ich fror! Und da ich für die Einfuhr des Wohnmobils nicht gebraucht wurde, eilte ich schnell zurück zum Auto und wärmte meine Hände an Filou. Was genau hinter der zweiten Türe passierte, wusste ich nicht, aber Felix kam verrichteter Dinge zurück und erzählte, dass dort der Fernseher lief und der Raum mit einer Gasheizung gewärmt wurde (diese Beobachtung war später sehr hilfreich). Beim nächsten Halt bezahlten wir die Eintrittsgebühr zur Reserva Nacional de Fauna Andina durch welche wir auf der Lagunenroute fahren würden. Und dann war da schon die erste Laguna. Blanca heisst sie und blanca war sie, nämlich weiss gefroren! Felix stieg aus und lief ein paar Meter zum Ufer, ich zog die Wärme des Fahrzeugs vor… Gleich daneben liegt die Laguna Verde, nicht gefroren und einladend genug, dass wir nach 15 Uhr endlich zu Mittag essen konnten. Die doppelte Passfahrt in Chile hatte uns viel Zeit gekostet. An diesem Tag dislozierten wir nur noch an die Laguna Blanca, wo wir bei einem alten Thermalbad ein Plätzchen für die Nacht fanden. Das Thermalwasser reichte zwar, um einen Teil des Sees aufzutauen, aber für ein Bad war es uns doch um einige Grade zu kühl. Der kalte Wind trieb uns bald zurück zum Womo, das so parkiert war, dass die aufgehende Sonne die Kühlerhaube und den Motor am nächsten Morgen aufwärmen und das Starten erleichtern würde. Die Nacht war eisig, aber unsere Dieselheizung hielt uns wohlig warm. Am folgenden Morgen waren unsere Fenster alle mit einer dünnen Eisschicht überzogen, welche aber bald schmolz, als die Sonne aufging. Der Motor brauchte eine Stunde, bis er warm genug war, um zu starten. Wir spazierten derweil dem Ufer der Lagune entlang und erforschten, ob uns das Eis tragen würde. Ein paar Vögel liessen sich im Bereich der Therme zum Trinken nieder, ansonsten war nichts und niemand zu sehen. Aber halt! Was verursachte diese Staubwolken? Es waren Tour-Fahrzeuge, die Touristen zu den Highlights der Lagunenroute führten. Toyotas und Nissans, 1 Fahrer, 6 bis 7 Passagiere auf drei Sitzreihen. Die Fahrt dauert etwa drei Tage und übernachtet wird in Hostals neben den Pisten. Ohne Heizung, doppelter Schlafsack ist von Vorteil.
Einige sagen, man sollte die Lagunenroute nicht alleine befahren, aber bei der Anzahl von Touren, findet man innert kürzester Zeit jemand, der einem aus einem eventuellen Schlamassel helfen würde. Wir hatten uns ohnehin keine Sorgen gemacht.
Die Gegend durch die wir fuhren war karg. Ein paar Büschelgräser wuchsen, sonst nichts. Zu unserer Linken ragten farbige, leicht verschneite Berge in den Himmel, lauter 6’000-er, der chilenischen Grenze entlang. Schweigend fuhren wir durch diese beeindruckende Landschaft.
Den ersten Halt des Tages legten wir, mit vielen anderen Touristen, an den Termas de Polques ein. Was für eine Wohltat, sich ins Becken mit dem warmen Wasser gleiten zu lassen! Wir hätten Stunden darin verbringen können! Der Kopf an der Kälte sorgte für Abkühlung und über den Beckenrand hinweg konnte man Vögel und Enten an und in der Lagune beobachten. Unser Mit-Bader sprachen Englisch, Holländisch, Französisch, Italienisch, Deutsch und Spanisch. Wer sich aus dem Wasser erhob, begann sogleich zu zittern und nach dem Badetuch zu greifen. Was uns natürlich davon abhielt, es ihnen gleich zu tun. Wir hatten ja keine Zeitbeschränkung wie die Tour-Touristen, welche zur nächsten Attraktion weiterfahren mussten. Warm angezogen genossen wir unser Mittagessen an der Sonne.
Weiter ging es durch die wunderschöne Hochwüste zum Geysirgebiet „Sol de Mañana“. Hier konnten wir ungehindert zwischen den Blubberteichen und Dampffontänen herumspazieren. Alleine waren wir auch hier nicht, aber ganz so bevölkert, wie im Yellowstone/USA, war es dann doch nicht. Gegen Abend rollten wir auf den Parkplatz an der Laguna Colorada, welche uns rot entgegenleuchtete. Die Farbe, die sich im Verlauf des Tages ändert, rührt von Pigmenten der im See vorherrschenden Algen. Die Lagune war grösstenteils eisfrei und wurde von hunderten Flamingos, Enten und Andengänsen bewohnt. In einem Restaurant in Uyuni waren sogar Forellen aus dieser Lagune auf der Menukarte (wirklich jetzt? Das scheint mir immer noch unfassbar)! Auch hier hörte man von Mitbesuchern des Sees beinahe alle mitteleuropäischen Sprachen. Aber nachts wurde es ruhig. Sven und Steffi fuhren mit ihrem gelben Landcruiser auf denselben Parkplatz, die Kälte nach Untergang der Sonne triebt uns aber alle in unsere Fahrzeuge.
Beim Hundespaziergang am nächsten Morgen stand da zwischen den Flamingos auch ein Lama. Der See dampfte in der Morgensonne. Eigentlich war ich auf der Suche nach eingefrorenen Flamingos, dafür musste ich aber zu einem Seitenarm der Lagune laufen. Und dort standen sie, weit aussen auf dem gefrorenen See, zusammengedrängt, eingefroren und auf das Auftauen wartend. Ich hatte mit vorgestellt, dass die Vögel nahe am Ufer wären und ich dann sehr nahe ran könnte und sie nicht fliehen könnten. Aber so dumm sind sie nicht, Füchse und ich hätten ein viel zu leichtes Spiel. Ich für Fotos, die Füchse für einen satten Bauch. Aber eindrücklich war es trotzdem.
Nach dem Frühstück (der Kaffee war kalt geworden, weil ich zu lange draussen war) war auch der Motor aufgewärmt und wir tuckerten weiter. In einem anderen Uferbereich stiessen wir beim Erkunden auf heisse Quellen und eine Hirtin, die ihre Schafe zum Tagesplatz trieb. Die Vögel und Enten nahmen ein warmes Bad oder lagen am Ufer und liessen sich von der Sonne trocknen. Ein gefundenes Fressen für…! Nein, der war an der Leine!
Next stop Arbol de Piedra. Mitten in der Wüste auf über 4’500 M.ü.M. türmen sich am Wegrand plötzlich Felsen auf, die der Wind zu seltsamen Gebilden modelliert hatte. Das speziellste ist eben der „Baum aus Stein“. Gleich hinter dem dazugehörenden Parkplatz wohnt eine Famile mit Kleinkind, weitab von jedem anderen Haus. Sie sind für die Instandhaltung der neuen WC-Anlagen verantwortlich und ziehen auch die Gebühren ein. Die sehr schönen WCs sind aber dem Verfall geweiht: Mitten am Tag war das Wasser in den Schüsseln gefroren und nichts liess sich hinunterspülen. Hände waschen? Es kam kein Wasser, alles eingefroren! Die Menschen leben hier in dieser Höhe und bei dieser Kälte in einfachen Steinhäusern ohne Heizung!
Auch im weiteren Verlauf der Piste hatte es Felsen, diese waren aber alle abgerundet, wie grosse Murmeln und mit knallgrünen Flechten überzogen. Manchmal zogen kleine Herden von Vicuñas vorbei, die sich anscheinend von den spärlichen Grasbüscheln ernähren können.
Am Nachmittag erreichten wir wieder ein paar Lagunen, in denen es von Flamingos wimmeln sollte. Die erste Lagune war nachmittags immer noch gefroren, von Flamingos keine Spur. Wir fuhren weiter zur Laguna Honda und blieben für die Nacht auf einem Hügel am See. Ein einsamer Flamingo stakste in der Mitte der Lagune herum, grosse Teile dessen waren aber mit Eis bedeckt. Am nächsten Morgen fand ich beim Spazieren einen Haufen mit Flamingofedern. Ob der Fuchs wohl erfolgreich war? In jener eisigen Nacht auf 4’100 M.ü.M. versagte uns die Dieselstandheizung. In solch grossen Höhen kann das mal passieren und unter unseren Federdecken blieben wir auch schön warm. Bloss das Aufstehen am nächsten Morgen kostete viel Überwindung. Wahrscheinlich wäre die Heizung in tieferen Lagen wieder normal gelaufen, aber wir waren und würden noch lange auf über 3’500 M.ü.M. sein und brauchten eine Heizung. Felix versuchte sein Glück, werkelte stundenlang im eisigen Wind am Sorgenkind herum, nur um am Schluss eine andere Fehlermeldung zu erhalten.
Wir beschlossen, die Lagunenroute abzuschliessen und dann, anstatt direkt auf den Salar de Uyuni zu fahren, in die einzige grössere Ortschaft in der Umgebung zu fahren, nämlich nach Uyuni.
An der Laguna Hedionda, die nicht gefroren war (ich frage mich, warum einige waren und andere nicht?), fanden sich alle Flamingos der Umgebung zum Winterurlaub ein. Nach einem kurzen Fotohalt, fuhren wir weiter auf schlechten Pisten Hügel an und Hügel ab, durch kleine Bäche und durch das imposante Valle de Rocas. Hier wurde an einer neuen Strasse gebaut, die bestimmt irgendwann mal geteert werden wird. Wir befuhren aber die alte, staubige Wellblechpiste. Der Wind kam von hinten und so wurden wir immer wieder von unserer eigenen Staubwolke überholt, die einem die Sicht auf die entgegenkommenden Lastwagen nahm. War das eine Freude, als wir nach über zwei Wochen (schon in Chile) wieder eine befestigte Strasse unter den Rädern hatten!
Im Schein der untergehenden Sonne trafen wir in Uyuni ein und stellten uns inmitten der Stadt vor die Kaserne. Auf den ersten Blich dachten wir, wir wären im schlimmsten Dreckskaff (äxgüsi Uyuni) geraten. Der zweite Blick am nächsten Morgen beruhigte uns ein ganz klein wenig. Es gibt da ganz nette Ecken und der Markt ist grossartig. Aber der Schmutz, der herumliegende Abfall (eigentlich schon gesammelt, bloss von den Hunden zerfleddert), die armseligen Häuser der Bewohner… Wir verloren die Zuversicht, dass uns hier jemand mit unserer Heizung würde helfen können. Aber Felix hatte eine Idee! (wie Vickie und die starken Männer, bloss ohne Nase-Reiben). Er erinnerte sich, wie die Zöllner ihren Aufenthaltsraum geheizt hatten und sogleich machten wir uns auf die Suche nach einem kleinen Heizstrahler, den man direkt an eine Gasflasche anschraubt. Neben der Markthalle wurden wir fündig, jetzt fehlte nur noch die Gasflasche und wir konnten unser Zuhause am Abend und am frühe Morgen wieder aufwärmen. Ok, ich habe Panik, wenn ich am offenen Feuer vorbeilaufen muss (stelle mir immer vor, wie meine Pyjamahose Feuer fängt) und Filou muss auf dem Bett bleiben, solange das Gerät läuft. Aber es tut seine Arbeit und als Überbrückung ist es nahezu perfekt. Jetzt steht einfach auch noch eine dicke Gasflasche im Eingang… Morgens ist es in Uyuni übrigens so kalt, dass die mobilen Saftpresser die Orangen auf den mit geführten Grill legen und warmen Orangensaft anbieten. Schmeckt echt gut!
Uyuni liegt an einer nur noch selten benutzten Bahnlinie und am Stadtrand ist der Friedhof der alten Dampfloks. Lokomotiven und Zugwagen rosten hier beinahe malerisch vor sich hin, einen kurzen Spaziergang allemal wert.
DIE Attraktion in der Umgebung ist aber der grösste Salzsee der Welt, der 9000 Quadratkilometer grosse Salar de Uyuni. Vor 12’000 Jahren war hier ein riesiger See, der nach dem Austrocknen Salz zurückliess, das über Jahrtausende von den umliegenden Bergen hinuntergespült worden war. Jetzt schätzt man die Dicke der Salzschichten auf 120 Meter!
Bei der Auffahrt auf den See setzten wir unsere Sonnenbrillen auf und brausten über die Salzebene, die bis zu den umliegenden Berge reicht, den Sehenswürdigkeiten entgegen. Man findet Fahrspuren, kann aber auch einfach quer“feld“ein über das sehr glatte Salz fahren. An einigen Stellen werden Salzquader abgebaut, zum einen, um daraus Skulpturen zu bauen, zum anderen aber auch für den Häuserbau. Die verschiedenfarbigen Salzschichten sind dabei sehr dekorativ.
Unsere Mittagspause erinnert an eine Rast vor einer Skihütte, mit dem Rücken zur Wand und das Gesicht der Sonne entgegengestreckt. Die endlose Salzpfanne animiert natürlich auch zum Spielen mit der Perspektive und um lustige Fotos zu kreieren.
Auf der Vulkaninsel Isla Inca Huasi (Haus der Inca) wurde ein Spazierweg zwischen Riesenkakteen angelegt. Wir befanden uns immer noch auf 3’800 M.ü.M. und so brachte mich das Erklimmen des kleinen Berges recht ausser Atem. Auch hier sind wir natürlich nicht allein. Die Tour-Veranstalter fahren mit ihren Kunden entweder als Tagesausflug oder in Kombination mit der Lagunenroute über den Salzsee. Ach ja, auch zwei Fahrradfahrer hatten sich hierher verirrt, 75 weisse Km vom Land entfernt!
Da es zum Übernachten noch zu früh war, wollten wir noch einige andere Inselchen besuchen, merkten aber bald, dass der Untergrund in Ufernähe durch Restwasser der Regenzeit instabil war. In solchen Situationen werde ich sehr nervös. Es wäre so peinlich, wenn wir steckenbleiben und Hilfe brauchen würden. Nur weil wir so dumm waren. Aber wir schafften es raus, bevor wir einsanken. Dann folgten wir irgendwelchen Spuren im Salz, die uns schlussendlich zur Isla Pescado brachten, wo wir an Land fahren und auf einer Landenge übernachten konnten. Ganz alleine im weiten Salzmeer mit der hellerleuchteten Milchstrasse über uns.
Am zweiten Tag verliessen wir den Salar kurzzeitig und umrundeten den Vulkan Tunupa. Die Piste führte an kleinen Gehöften und Mini-Siedlungen vorbei. Lange Zeit wussten wir nicht, was auf den kleinen Äckern geerntet worden war, bis uns aufging, dass es Quinoa war. Überall hatten die Bauern Steinmauern gebaut, weit die Hänge des Vulkans hinauf. Der Ausflug ermöglichte uns eine einmalige Sicht auf das Leben eines Teils der indigenen Bevölkerung.
Zurück auf dem Salz fuhren wir Richtung Uyuni vorbei am Salzhotel und dem Paris-Dakar Monument. Abends nahmen wir wieder unseren Platz vor der Kaserne ein und schliefen wie die Engel.
Wir wollten unserer Heizung in tieferen Lagen eine Erholungskur gönnen. So fuhren wir auf einer guten Strasse beinahe ohne Verkehr durch bizarr geformte Berge nach Tupiza, Höhe über Meer „nur“ noch 3000 M. ;-). Natürlich sprang sie nicht an, dafür entdeckten wir den Brice Canyon von Bolivien! Ein Spaziergang im Cañon del Inca endete für uns schon bald an einer Felswand, die Felix nicht erklimmen wollte, ich nicht konnte und Filou zwar wollte aber erst recht nicht konnte. Schade, die Wände wären der Beschreibung nach immer näher gerückt und nach 2 Stunden wäre für nicht Bergsteiger Schluss gewesen. So genossen wir den Tag an der warmen Sonne und Felix werkelte an der Heizung herum.
Unser nächstes Ziel war Potosi, wieder auf 4’100 M.ü.M., die höchstgelegene Stadt der Welt. Die Silberminen machten die Stadt zu Zeiten der spanischen Eroberer zu einer der reichsten und grössten Städten der Welt. Im 17. Jahrhundert lebten 160’000 Menschen hier, mehr als zu dieser Zeit in Madrid. Doch der Reichtum der Stadt wurde auf Kosten der zur Arbeit gezwungenen Indigenen und afrikanischen Sklaven erwirtschaftet, die zu Millionen in den Silberminen starben. Auch jetzt können die Minenarbeiter höchstens 10 Jahre lang in den Minen arbeiten. Die Lebenserwartung beträgt 45 -50 Jahre. Obwohl Kinderarbeit vehement bestritten wird, ist allen klar, dass diese sehr wohl existiert. Heute ist die Stadt ein UNESCO Weltkulturerbe und besticht durch wunderschöne koloniale Gebäude, von denen recht viele restauriert sind. Die Strassen und Gassen sind eng und vermögen die vielen Autos und Busse kaum zu bewältigen. Wenn die Autofahrer auf eine Kreuzung zufahren, hupen sie, um auf sich aufmerksam zu machen und brausen weiter. Die Stadt ist dementsprechend laut und hektisch. Als sich Felix am ersten Tag in eine enge Gasse verfuhr, wäre ich gerne ausgestiegen. Aber die Türen liessen sich nicht öffnen und die Rückspiegel raspelten den Hausmauern entlang. Zeit für mich, die Augen zu schliessen und zu hoffen, dass es bald vorbei sei… Nach zwei intensiven Tagen verliessen wir Potosi wieder auf gut ausgebauter Strasse. Wieder ging es bergauf und bergab, über Pässe und durch Dörfer. Und da bemerkten wir sie zum ersten Mal! Ausserhalb der Ortschaften standen, sassen oder lagen sie, hoben den Kopf, wenn wir uns näherten, schienen uns zuzuzwinkern und uns zuzuraunen: na, wie wärs mit uns? Leider nein, riefen wir in Gedanken zurück und als wir uns entfernten, legten die Hunde ihre Köpfe resigniert auf ihre Pfoten und hofften auf den Nächsten, der vorbeifuhr. Einige waren richtig hübsch…
Weiter ging es nach Sucre, dem Namen nach die Hauptstadt Boliviens. Die Verwaltung ist aber schon lange in La Paz, Sucre kann sich aber zumindest mit dem Titel der schönsten Stadt schmücken (den nicht nur ich ihr verliehen habe). Die Innenstadt besticht durch weissgetünchte Kolonialhäuser. Im Reiseführer steht, dass die Besitzer verpflichtet sind, ihre Häuser jährlich neu weiss zu streichen. Und genauso sieht es aus! Es war ein Vergnügen, durch die Strassen und über die mit Palmen begrünten Plätze zu flanieren, die fliegenden Händler zu beobachten oder die traditionell gekleideten Indigenas mit ihren viel zu kleinen Melonen auf dem Kopf.
Als wir nach einem vergnüglichen Abendessen mit Sven und Steffi (gelber Landcruiser) zum Wohnmobil zurückkamen, ging es Filou nicht gut. Irgendwas schmerzte ihn sosehr, dass er sich kaum hinlegen konnte. Es folgten drei Besuche beim Tierarzt und nach sechs Spritzen war er wieder auf dem Damm. Oder tat einfach so, weil er keine weitere Spritze wollte. Der Tierarzt meinte übrigens, Filou leide an einer verstopften Analdrüse, wir glauben aber, dass er einen schmerzenden Nacken hatte. Sei es, wie es wolle, Schmerzmittel und Entzündungshemmer zeigten Wirkung und Filou war wieder bereit, sich durch die Gassen zu bieseln und als Staubsauger alles Essbare einzusaugen.
Nachdem Sucre immer noch auf 4’200 M.ü.M. lag, war unser nächstes Ziel Cochabamba nur geradeeben auf 2’600 M.ü.M. Die Röcke der Indigenas erreichten gerade mal Knielänge, in den Parks schrien sich kleine, grüne Papageien an und die Markthallen waren beinahe leer. Warum sollte man sich auch in einer Halle verkriechen, wenn draussen herrliche warmes Wetter herrscht und die Marktstände auch auf den Strassen Platz haben. Die Autos konnten halt nur noch einspurig dran vorbei, aber das schien niemand zu beunruhigen. Es gab so viele Strassen mit Marktständen, dass uns das tatsächlich verleidete! Zum Abschluss unseres Besuchs in diesem Schmelztiegel, statteten wir Christo de la Concordia auf seinem Hügel einen Besuch ab und genossen die Aussicht auf die riesige Stadt.
Unser nächstes Ziel war La Paz, wieder in höheren Gefilden. Auf dem Weg zu einem empfohlenen Campingplatz verfuhren wir uns einige Male und so steuerten wir einen Platz in El Alto, einer Stadt oberhalb von La Paz an, wo der Flughafen liegt und die ärmere Bevölkerungsschicht lebt. Wir spazierten gleich los, auf der Suche nach einem Restaurant. Filou durfte mit rein und wir assen zu zweit für unglaubliche 3 Franken! Felix war mutig und bestellte etwas, was ihm dann nicht sehr schmeckte, aber wir wurden mehr als satt. Am nächsten Tag nahmen wir eine der Gondelbahnen nach La Paz hinunter. Felix und ich mussten eine Maske tragen, Filou einen Maulkorb. So schwebten wir über 100’000 Marktstände und Backsteinhäuser hinunter (500 Höhenmeter) und durchstreiften die Innenstadt, den noch geschlossenen Hexenmarkt, die Museumsgasse, die Kirchen und Plätze, die Souvenierläden und kehrten am frühen Nachmittag nach El Alto zurück. Gegen Abend wollten wir nämlich noch den kämpfenden Cholitas im Ring zuschauen. Wieder führte der Weg an endlosen Marktständen vorbei, hier konnte man schlichtweg alles kaufen!
Die Show, die uns geboten wurde, war lustig, aber nach einer Stunde hatten wir es gesehen und wir gondelten zurück zu unserem „Campingplatz“ im Hinterhof eines Gebäudes. Aber es gab da eine warme Dusche mit einem rechten Wasserstrahl und das wertete den Platz doch sehr auf. Zudem war die Besitzerin Teresa sehr nett und hilfsbereit.
Für den Montagmorgen hatten wir einen Termin in DER Autowerkstatt Boliviens oder gar ganz Südamerikas. Der in La Paz geborene Schweizer Ernesto Hug lernte sein Handwerk in der Schweiz und eröffnete nach seiner Rückkehr eine VW Garage in La Paz. Seither war er tausenden Südamerikareisenden eine grosse Hilfe.
Wir hatten vereinbart, zwischen 9 und 10 bei ihm zu sein. Kurz nach acht fuhren wir oben auf dem Berg los und gerieten dank Navi in ein Chaos aus Marktständen, Colectivos, Fussgänger und Lieferanten. Wir brauchten eine Ewigkeit, um diesem Durcheinander zu entkommen und kamen nach vier Stunden endlich an!
Seither ist schon mehr als eine Woche vergangen. An unserem Fahrzeug gibt es soviel zu tun, Ersatzteile müssen besorgt oder nachgefertigt werden, falsch eingeschraubte Schrauben gedreht, unserer Fahrwerk total zerlegt und der linke Kotflügel geschweisst werden. Zwei neue Reifen mussten in Santa Cruz bestellt werden und sollten bald hier eintreffen. Wir können im aufgebockten Womo wohnen und spazieren immer wieder hinunter in die Stadt, gehen Essen, ins Museum oder flanieren durch die Gassen und Plätze. Für den Heimweg nehmen wir immer ein Taxi, schliesslich befinden wir uns hier auf 3’700 M.ü.M., die Hügel sind sehr steil und die Luft ist dünn.
Sind wir wirklich erst 3 ½ Wochen in Bolivien? Uns gefällt das Land und die Leute ausserordentlich gut. Die Berge, Lagunen und Städte sind fantastisch, die Menschen neugierig und hilfsbereit. Natürlich liegt viel Abfall herum, aber wir befinden uns in einem der ärmsten Länder Südamerikas. Die Menschen hier haben andere Sorgen, als eine weggeworfene Colaflasche!
Immer wieder schön, kurzweilig und amüsant.
Viele liebe Grüße aus der Nähe von Arequipa (Peru),
Julia