18.1. – 12.3.2024
Genau einen Monat nach dem Bruch von Emmas Antriebswelle, wurden sie als geheilt aus der Werkstatt in Bariloche entlassen. Endlich waren wir wieder frei und mobil! Aber auch sehr misstrauisch: erstens hatten wir das Vertrauen, das beste Auto der Welt zu fahren, verloren. Und zweitens hatten wir auch leichte Zweifel am Mechaniker und vor allem am Dreher, der einen Teil der Hinterachse neu geschweisst hatte. Mit Geschweisstem hatten wir so unsere Erfahrung…
Trotzdem kam für uns nicht in Frage, die genau gleiche Strecke wieder zu befahren, wie auf dem Weg nach Bariloche. So bogen wir ins ins Valle Encantado ab und folgten auf holpriger Piste dem Verlauf eines Flüsschens. Als uns auch nach einer Stunde niemand entgegengekommen war, wurde ich nervös. Was, wenn uns in diesem verwunschenen Tal die Achse brechen würde? Beim Zustand der Piste könnte das ja auch ohne Schweissnaht passieren! Ich stellte mir vor, wie Felix sich zu Fuss auf die Suche nach Hilfe begeben würde und ich mit Filou zusammen tagelang bei Emma würde ausharren müssen. Gut hatten wir vor der Abfahrt noch die Vorräte aufgefüllt. So würde ich wenigstens nicht hungern müssen :! Kilometer um Kilometer geschah nichts und schon bald befanden wir uns in einem Seitenarm des Parque Nacional Lanin und an den Flüssen und am Lago Meliquina tummelten sich Touristen auf der Suche nach Abkühlung. Ich fühlte mich gleich viel wohler!
Gegen Abend erreichten wir San Martin de los Andes und suchten den uns schon bekannten Übernachtungsplatz auf. Die Stadt war viel voller, als vor Weihnachten und auf dem ehemals leeren Parkplatz direkt am See standen bestimmt 40 Wohnmobile, hauptsächlich Argentinier, Chilenen und Brasilianer.
Mit etwas mehr Zuversicht machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg zum Lago Aluminé. Die Gegend war wunderschön, aber das Gerüttel der Wellblechpiste zerrte an meinen Nerven. Gerne hätte ich am See selber übernachtet und wäre schwimmen gegangen, aber der Weg war zu weit und der einzige Campingplatz in vernünftiger Fahrdistanz war voll. So kehrten wir um und stellten uns an ein Flüsschen. Wenigstens die Füsse konnte man da kühlen. Bei der Weiterfahrt am nächsten Tag fuhren wir an vielen Campingplätzen vorbei und alle schienen sehr, sehr gut besucht zu sein. Ferienzeit in Südamerika!
Bald schon waren wir wieder in Las Lajas, wohin wir Mitte Dezember abgeschleppt worden waren und dann in Chos Malal, der nördlichsten Ortschaft in Patagonien. Von hier aus wagten wir uns wieder in die Berge. Wir wollten den Volcan Domuyo umkreisen und dann wieder auf die Ruta 40 stossen. Sicher waren wir nicht, ob alle „Strassen“ passierbar sein würden… Aber die Gegend hat allemal viel zu bieten. Zum Beispiel die wunderbaren klaren Lagunen Epulafquen. Oder die seltsamen Felsformationen „Los Bolillos“ und die heissen (!) Quellen von Villa Aguas Calientes, wo Wasser bis zu 95 Grad aus dem Boden schiesst. Mir war schon die Luft zu heiss, aber Felix setzte sich in ein 38 grädiges Bächlein und liess sich weichkochen.
Wir befragten den Parkwächter wegen der Piste nach Barrancas und er bestätigte unsere Vermutung, dass sie nicht mehr befahrbar sei, wegen einem Erdrutsch im vergangenen Winter. Schade! Aber bei den „Bolillos“ waren wir einem deutschen Pärchen begegnet, dass uns von einer wundervollen Rundtour erzählt hatte. Diese würden wir am nächsten Tag angehen! In der Nacht ging ein gewaltiges Gewitter nieder. Es grollte in den Bergen um uns herum und Blitze erhellten den Nachthimmel. Ein Paar dicke Regentropfen platschten auf Emma nieder, mehr gab es für uns nicht. Am nächsten Morgen war der Spuk vorbei und ein strahlend blauer Himmel lud zu neuen Abenteuern ein. Nach einigen Kilometern durch eine wunderbare Berglandschaft kreuzten wir einen Ziegen-Gaucho hoch zu Ross. Er hielt uns an und meinte, wir könnten da nicht weiterfahren. Die Piste sei für uns unpassierbar. Wir bedankten uns bei ihm und sagten, wir würden es uns ansehen gehen. Insgeheim glaubten wir ihm kein Wort. Der wollte doch einfach nicht, dass Touris seine Wege benutzen. Schliesslich waren die Deutschen ja tags zuvor genau hier entlanggekommen! So fuhren wir weiter. Vor einiger Zeit war an einer Stelle der Hang ins Rutschen gekommen und hatte die Strasse ins Tal gerissen. Der neu angelegte Weg führt jetzt steil den Hang hinunter zum kiesigen Ufer des Flusses und dann wieder die Böschung hoch zur Strasse zurück. Alles kein Problem für uns. Und dann standen wir auf der einspurigen Piste plötzlich vor einem Hangrutsch. Der Bach, der hier den Berg hinunterfloss, hatte wegen des Gewitters in der vergangenen Nacht riesige Erdmassen mitgeführt, welche nun unseren Weg versperrten. Vielleicht hätte es ein Pickup drüber weggeschafft, aber wir wären wohl gekippt und im Flussbett unter uns gelandet! Aber wie sollten wir jetzt wenden? Ich schlug Felix vor, bis ins Flussbett rückwärts zu fahren, das wollte er aber auf keinen Fall. So setzten wir etwas rückwärts bis die Piste minim breiter wurde und Felix der Meinung war, dass es hier klappen würde. Ich stieg aus und wies ihn vor und zurück und hoffte inständig, dass er nicht Gas und Bremse vertauschen würde oder Vorwärts- und Rückwärtsgang! Schlussendlich stand Emma in die Gegenrichtung und wir konnten uns auf den Rückweg machen. Schade, hätten wir am Abend zuvor nicht so früh Feierabend gemacht, wären wir wohl durchgekommen… Am Abend erreichten wir wieder Chos Malal, wo sie uns auf dem Camping Municipal schon kennen :. Wenigstens sind da die Duschen heiss und der Hundespaziergang an der Flusspromenade angenehm.
Jetzt blieben wir auf der Ruta 40 (die auch nicht durchwegs geteert ist) und fuhren Richtung Mendoza. Für den Freitagmittag hatten wir uns in der Bodega Ojo de Agua von Dieter Meier zum Mittagessen angemeldet. Diesen Termin mussten wir dann kurzerhand auf den Samstag verschieben, da uns die Halterung der Kühlerhaube brach und wir einen neuen Haltebügel anschweissen lassen mussten… Ein Freund vom Mechaniker in Bariloche erledigte das für uns. Leider nahm er viel zu weiches Material, so dass der neue Bügel schon bald wieder durchgeschabt war… Aber das wussten wir am nächsten Tag noch nicht und konnten unbeschwert ein wundervolles 5-Gang Menü mit 5 verschiedenen Weinen unter Bäumen im Garten der Bodega Ojo de Agua geniessen. Dass wir auf dem Parkplatz auch gleich übernachten durften, war sehr hilfreich. Felix hatte sich auch mal Wein nachschenken lassen…
Die Ruta 40 ist die längste Strasse in Argentinien und beginnt an der bolivianischen Grenze und endet vor Feuerland. Wie schon erwähnt, ist sie nicht durchgehend geteert und wo nicht, ist das Wellblech übel. Wo geteert, sind die Löcher übel. Bei dem wenigen Verkehr, der herrschte, konnte man diesen Badewannen meistens ausweichen. Und dann gibt es noch „Badenes“: das sind Flussübergänge auf der Strasse. Man fährt wellenförmig hoch und runter in die meist trockenen Flussbette, danach geht’s wieder hoch bis hundert Meter weiter der nächste Flussübergang folgt. Es fühlt sich etwas an wie eine Berg- und Talfahrt-Bahn im Vergnügungspark, einfach ohne im Kreis zu fahren. Nach starkem Regen füllen sich die Mulden mit Wasser und Geschiebe, welches irgendwann von einem Bagger weggeräumt wird. Und geregnet hatte es jeden Abend!
Wir waren froh, diese Strasse endlich verlassen zu können, als wir uns „hintenrum“ auf den Weg zur Laguna Brava machten. „Hintenrum“? Ja, wenn man von Villa Union zur Laguna Brava fahren will, geht das nur mit Guide und ohne Hund. Wenn man von San José de Jachal hochfährt, interessiert das niemanden. Die Strasse ist dafür etwas abenteuerlicher. Wir schafften es deshalb am ersten Tag nicht bis zum Ziel und blieben an einer anderen Lagune stehen für die Nacht. Hinter den Hügeln auf der anderen Seite des Salzsees entdeckten wir eine Container-Siedlung. Es dauerte nicht lange, und ein Pickup fuhr zu unserem Camp. Ich dachte, wir würden verjagt werden, aber die zwei Herren waren sehr nett und sagten, wenn wir etwas bräuchten, sollen wir nur zu ihnen rüberfahren. Sie seien in der Lagune auf der Suche nach Lithium und ihr Camp sei mit allem ausgerüstet. Natürlich war das irgendwie ein Kontroll-Besuch, aber mit Freundlichkeit durchgeführt. Wir wurden definitiv als harmlos befunden und in Ruhe gelassen.
Am nächsten Tag erreichten wir die grosse, weiss leuchtende Laguna Brava auf 4270 M.ü.M. Einige Flamingos wateten durchs Wasser und am Ufer lag der Flügel eines abgestürzten Flugzeugs. Was hier wohl passiert war? Sonst war nichts und niemand zu sehen. Wir umfuhren die Lagune und stiessen auf die geteerte Passstrasse zu einem Grenzübergang nach Chile. Wir folgten der Strasse in die Gegenrichtung und stellten erstaunt fest, dass sie urplötzlich aufhörte. Aber es gab ja noch eine Piste den Berg hinunter zur Laguna Mulas Muertas, wo wir unter Flamingos und Vicuñas zu Mittag assen. Auch hier stiessen wir auf ein Stück geteerte Strasse, die aber nirgends hinführte. Die Piste, die wir stattdessen aussuchten, war plötzlich durch einen Erdwall gesperrt, so dass wir umdrehen und wieder zur Laguna Brava hochfahren und die eigentliche Piste in Richtung Villa Union nehmen mussten. Später erfuhren wir, dass die eigentliche Passstrasse nach Chile, die auch zur Laguna geführt hatte, durch ein schweres Erdbeben zerstört worden war und wir immer wieder auf die Überreste dieser Strasse gestossen waren. Wer jetzt hier oben nach Chile will, muss einen beschwerlichen Weg unter die Räder nehmen.
Wieder zurück im Tal blieben wir ein paar hundert Kilometer dem auf und ab der Ruta 40 treu, bevor wir uns wieder auf Schüttelpfade einliessen. Die absolut sehenswerte Catamarca und Puna riefen! Wie ihr seht, hatten wir schon wieder vergessen, dass wir ein Montagsmodell von einem Land Cruiser gekauft hatten… Obwohl man auch auf den Hauptverkehrsachsen in Argentinien durch wundervolle Landschaften fährt, die schmalen Pisten durchs Hinterland haben schon ihre speziellen Reize. Die Einsamkeit, die kargen Landstriche, die Salzpfannen, Vulkane, schneebedeckte Gipfel der Anden, unbeschreiblich ärmliche Weiler und spärliche Gräser zupfende Tierherden. Jeden Tag fühlten wir uns aufs Neue überwältigt von der Schönheit der Natur.
Nicht immer gelang uns alles. Z.B. mussten wir Emma neben der Tiefsandpiste zum Bimssteinfeld Piedras Pomez stehen lassen und im Pickup eines Tourguides Platz nehmen. Wir hatten uns kurz im Sand festgefahren und der vorbeifahrende Guide meinte, weiter hinten werde es noch tiefer werden. Neben der Piste, wo der Boden hart war, wollten wir nicht fahren. Ersten waren da Schilder, die das verboten, andererseits sieht es einfach hässlich aus, wenn sich jeder einen eigenen Weg durch die Wüste bahnt. So brachte uns der Tourguide zum Bimssteinfeld, durch das wir eine Stunde herumspazieren konnten. Der weisse Bimsstein wurde vom Vulkan Cerro Blanco hierher gespiehen. Sehr eindrücklich ist, dass gleich nebenan der Vulkan Carachi die Erde mit schwarzem Lavagestein überschüttet hatte. Bei diesem Vulkan an einer Lagune verbrachten wir eine ruhige, sternenklare Nacht. Nirgends sieht man so viele Sterne, wie in einer Wüste!
Über den Bergzug Sierra de Calalaste stiessen wir hinab und überquerten den Salzsee Salar de Antofalla. Hier hätten wir gerne übernachten wollen, aber das Dorf war so klitzeklein, dass uns nicht wohl war dabei. So machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Platz in der Natur. Aber da war nichts, nur diese eine Piste dem Salar entlang. Kurz vor dem dunkel werden, nahmen wir eine Abzweigung und stellten uns mit schlechtem Gewissen daneben. Weit und breit nichts und niemand zu sehen. Wir waren ganz alleine auf der Welt. Dachten wir. Am nächsten Tag kam ein alter Mann auf seinem Motorrad angebraust und fragte, was wir hier machen. Er habe unser Licht schon gestern Nacht gesehen und sich gewundert. Ich erklärte ihm unsere Müdigkeit vom Abend zuvor und dass wir einfach nicht weiterfahren konnten. Das sei schon ok. Und dass wir neue Fahrspuren in die Landschaft gelegt hatten, interessierte ihn überhaupt nicht.
Die Piste führte uns am Ende des Salzsees den Berg hoch. In einem grünen Tal erreichten wir Antofallita, ein Örtchen, bestehend aus etwa drei Häusern. Bei der Durchfahrt starrte uns eine alte Frau an, als wir näher fuhren, verschwand sie im Haus. Mit uns sprechen wollte sie wohl nicht. Im Zickzack erklommen wir den steilen Berg, unsere Blicke wurden vom leuchtenden Grün des kleinen Tales angezogen. Schön sah das aus. Aber wie konnte man in dieser Einsamkeit leben?
Als nächstes erreichten wir den Salar de Arizaro (3600 M.ü.M), den wir auch wieder auf holperiger Piste überqueren mussten. Gleich zu Beginn erhebt sich der Cono de Arita aus dem Salzsee, ein perfekt geformter Kegel, 200 hoch und mit einem Umfang von 2,4 km. Eigentlich ist es ein Vulkan, der nicht eruptierte.
Bei der Überquerung des Tolar Grandes stiessen wir auf ein Bahngeleise, welchem wir ein Stück weit folgten. Es handelte sich um das Geleise des Tren a las nubes (Zug in den Wolken), der Bodenschätze von Salta über die Anden bis an die chilenische Küste befördert. Ein kleiner Abschnitt über das 63 m hohe Viadukt „La Polverina“ kann in einem Touristenzug zurückgelegt werden.
Wir übernachteten unterhalb des Viadukts auf 4200 M.ü.M., nach den letzten Tagen in grosser Höhe waren wir akklimatisiert und verbrachten eine ruhige Nacht ohne Kopfschmerzen.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach Salta und fuhren nach dem Einkaufen auf den Camping Municipal, das eigentlich ein gigantisches Freibad für die Stadtbewohner ist, aber auch Campern das Übernachten erlaubt. Hier trafen wir Edi und Brigitte wieder, die wir in Uruguay kennengelernt hatte. Der Campingplatz ist nicht im besten Stadtviertel. Wenn man nur campiert und badet und ein Taxi ins Zentrum nimmt, ist das voll ok. Aber ich musste Filou spazieren führen, und es war mir nicht wohl dabei. Heruntergekommene Häuser, ärmlich gekleidete Menschen, Obdachlose und Drogenabhängige. Jä nu, wir hatten Dinge zu erledigen, dann würden wir weiterziehen. Meine und Emmas Aufenthaltsgenehmigung für Argentinien lief nämlich bald aus, darum musste Filou neue Ausreisepapiere haben. Also spazierte ich am Mittwoch mit ihm zum nahe gelegenen Tierarzt für ein Certificado de salud, welches ich dann der Senasa, dem Ministerium für Landwirtschaft, Tierhaltung und Fischerei vorweisen musste, um eine Ausfuhrgenehmigung zu erhalten. Kompliziert! Stellt euch das mal in Europa vor! Das Gesundheitszeugnis erhielt ich sofort und kehrte mit Filou auf den Campingplatz zurück. Felix war inzwischen mit dem Womo unterwegs, um einen Ölwechsel zu organisieren und kam mit einem Termin für den nächsten Tag zurück. So verbrachten wir den Grossteil des Donnerstages in der Garage. Am Freitag brachten wir Filou zur Zahnreinigung in die Tierarztpraxsis und Felix fuhr mich in die Innenstadt zur Senasa. Er machte sich auf den Weg zu einem Schweisser, der einen neuen Verschlussbügel an die Motorhaube anschweissen würde. Nach meinem Termin und mit der Hundeausfuhrbewilligung in der Hand spazierte ich eine halbe Stunde durch die Stadt, um Felix zu treffen. Aber er war nicht da. Handyempfang hatte ich nicht. Also nahm ich ein Taxi zurück zum Tierarzt und da stand Felix. Kaum hatte er mich am Morgen bei der Senasa abgesetzt, hatte er mitten auf einer Kreuzung eine Panne. Emma krochste nur noch und weigerte sich, einen Wank zu machen. In der Nähe stehende Polizisten waren so nett, einen Abschleppwagen zu organisieren, welcher Emma in die uns schon bekannte Garage brachte. Da standen wir nun davor und warteten, dass Emma untersucht werden würde. Der Freitagnachmittag wurde zum Abend und immer noch hatte keiner Zeit gefunden, sich unser Womo anzusehen. Es stand das Wochenende an und Montag und Dienstag waren freie Tage wegen dem Karneval. So machten wir uns hurtig auf die Suche nach einem Airbnb und fanden eines im historischen Zentrum der Stadt, nahe bei Parks und Restaurants. Emma wurde am Abend noch in die Werkstatt geschoben und wir zogen in die Wohnung. Für eine Woche war das ja auch mal schön. Wir hatten sogar noch ein zusätzliches Zimmer und so luden wir Dieter aus Savognin zu uns ein, der nämlich unsere neue Heizung mitbrachte. (wie lange waren wir ohne Heizung unterwegs?) Aus einer Woche festsitzen wurden mehr als zwei. Der Besitzer der Autowerkstatt und seine Frau luden uns an einem Samstag ein, sie in ihr Wochenendhäuschen vor den Toren der Stadt zu begleiten. So verbrachten wir einen interessanten Nachmittag in einer argentinischen Familie, unterhielten uns über Schulsysteme und Politik und wurde lecker mit Humita bekocht, ein Zuckermais-Kürbisbrei, der manchmal auch in Maisblätter gekocht serviert wird. Am Abend wurden wir wieder in die Stadt chauffiert mit dem Versprechen, auch zum Geburtstag des Sohnes eingeladen zu werden, sollten wir dann noch in der Stadt sein.
Ich musste bei der Imigraciones vorstellig werden und um eine Verlängerung meines Aufenthalts bitten. Kein Problem, ich erhielt weitere 3 Monate. Aber die Gebühr von 3.50 Fr musste ich in einer ganz bestimmten Bank bezahlen und dort sass ich über drei Stunden auf dem Bänkchen, bis endlich meine Nummer aufgerufen wurde! Also wenn man in Argentinien eine Rechnung bezahlen oder Geld abheben oder einkaufen gehen will, muss man sich einen Tag frei nehmen, denn die Menschenschlangen vor den Kassen und Banken sind enorm!
Auch Emmas temporäre Importbewilligung musste verlängert werden. Das war etwas komplizierter. Zuerst musste ein schriftlicher Antrag mit Begründung eingereicht werden. Auch die Werkstatt musste eine Erklärung abgeben. Dann wurde das geprüft und zwei Tage später wollte der Zoll sich Emma noch in der Werkstatt ansehen. Danach gab es endlich einen neuen TIP und wir (oder Emma) entging der Beschlagnahmung durch den Zoll. Und Fious Ausfuhrgenehmigung? Für die Katz (den Hund)! Die ist nämlich nur 10 Tage gültig!!!
Emma brauchte wieder Ersatzteile und Felix nahm den Bus nach Bolivien. Wenigstens ist Salta bedeutend näher an Bolivien, als Bariloche es war! Aber der argentinische Zoll entdeckte die Ersatzteile und wollte Felix damit nicht einreisen lassen. Also überreichte er die Teile einem bolivianischen Gepäckträger, der ungehindert damit auf die andere Seite lief und sie Felix gegen eine saftige Gebühr von 100 Dollar aushändigte! So macht man das.
Bald war er wieder in Salta und Emma wurde repariert.
Da keiner jetzt mehr dringend ausreisen musste, entschieden wir uns, noch zwei Touren in Argentinien zu unternehmen.
Zuerst fuhren wir wieder ostwärts über den Obispo Pass nach Cachi, dann durch eine staubtrockene Landschaft südwärts durchs Valle Calchaquies nach Cafayate, einem weiterern Weinanbaugebiet auf über 1600 M.ü.M. Etwas weiter erreichten wir die Ausgrabungsstätte des Volkes der Quilmes. (Übrigens heisst Felix Lieblings-Biersorte auch so. Was wohl zuerst so benannt wurde?) Das wehrhafte Volk konnte sich lange Zeit gegen die spanischen Invasoren zur Wehr setzen, doch schlussendlich wurden sie ausgehungert, indem die Spanier ihre Pferde und ihr Vieh in die Äcker der Quilmes trieben, welche sich dann ergaben. Zur Strafe für ihre Gegenwehr wurden die Überlebenden in Ketten gelegt und in die Gegend um Buenos Aires getrieben (1600 km westwärts). Die an aride Gegenden gewöhnten Indigenas starben in der feuchten Hitze zuhauf an ihnen unbekannten Krankheiten. So fällte das Volk die Entscheidung, sich selbst aussterben zu lassen. Obwohl keiner des Volkes nach Quilmes zurückkehrte, empfinden sich die Indigenas der Gegend als ihre Nachkommen.
Nach einem kurzen Besuch im grünen Tafi del Valle kehrten wir über das wunderhübsche Valle de Lerma zurück in die Gegend von Salta.
Unsere zweite Tour führte uns in die nördlichste Gegend Argentiniens. Von San Salvador de Jujuy aus führt eine Rundstrecke bis beinahe an die bolivianische Grenze. Aber es regnete und schien schon einige Tage geregnet zu haben. Die Flüsse trugen braunes Hochwasser. Ob wir die Fahrt durch den Regenwald auf vielleicht schlammigen Pisten wagen sollten? Erst mal überlegen. Und wenn schon heisse Quellen in der Nähe sind, eignen sich diese hervorragend zum Aufwärmen, Zeit schinden, Überlegen und auf schönes Wetter zu warten. Welches natürlich nicht kam. Wir entschieden uns nach einem Grosseinkauf, einfach mal mit der Runde zu beginnen und sehen, wie weit wir kommen würden, wie weit wir uns vorwagen würden. Die Ranger am Eingang zum Regenwald-Nationalpark Calilegua meinten, die Piste sei bis Valle Grande befahrbar, dann müssten wir umkehren. Mal schauen. Auf dem Weg durch den Park regnete es ununterbrochen und so verzichteten wir auch auf einen Spaziergang über einen der angelegten Wanderwege. Die Piste war in einem ordentlichen Zustand, nicht rutschig oder schlammig und so erreichten wir gegen Abend das Dorf San Francisco, wo wir auf einer für Camper vorgesehenen Wiese übernachteten. Wieder ein Dorf, wo ich mich fragte, wie man da leben kann. Aber immerhin gab es hier Kleinbusse, die ins Tal fahren.
Am nächsten Tag hatte es aufgehört zu regnen und wir fuhren weiter die Berge hoch. Zu Beginn noch durch dichtes Grün, durch Bäche und um Kurven, hinter denen wir Bergrutsche vermuteten, ohne Möglichkeit auf der einspurigen Fahrbahn zu wenden. Wir erreichten aber Valle Grande unbeschadet. Felix hielt am Strassenrand im Dorf und machte sich auf die Suche nach jemandem, der ihm Auskunft über den weiteren Verlauf der Piste geben könnte. Ach, die Dame da weiss bestimmt Bescheid! Jaja, die Strecke sei offen und für kleine Autos befahrbar… Als sie unser Wohnmobil sah, meinte sie, das würde schon gehen. Kleine Autos??? So würde ich uns nicht unbedingt beschreiben… Aber wir hatten ein OK erhalten (von wem auch immer) und mehr wollten wir ja nicht! So fuhren wir weiter, Kurve um Kurve, Bachbett um Bachbett die Berge hoch in Richtung Valle Colorado. Kurz vor dem Dorf erreichten wir den Fluss, der neben dem Ort vorbeirauschte. Er hatte Teile der Fahrbahn weggerissen und wir mussten uns an den Berghang schmiegen, um nicht im Fluss zu landen! Wir hofften inständig, dass wir hier nicht wieder zurück müssten, denn je länger der Fluss Zeit hatte, desto mehr vom Ufer konnte er unterspülen und die Strasse vielleicht ganz wegreissen. Dann sässen wir fest. In Valle Colorado. Es war Mittagszeit und weit und breit war kein Mensch, den wir nach dem weiteren Verlauf der Strasse hätten Fragen können. Wir wussten nur, dass sie irgendwann erneuert worden war, weil Bergrutsche sie weggerissen hatten. Wir nahmen allen Mut und unsere vereinte Dummheit zusammen und fuhren weiter. Ja, die Strasse war neu, aber nicht so neu, als dass sie unbeschädigt wäre. Der Regen hatte wieder neue Rutsche verursacht. An manchen Stellen lagen grosse Felsblöcke auf der Fahrspur, die wir zur Seite bugsieren mussten, um Platz für unsere Durchfahrt zu schaffen. Auf Felix Seite ging es steil den Hang hoch, auf meiner steil den Hang hinunter. Da wollten wir auf keinen Fall hinuntersegeln! Erdrutsche sind auch ganz tricky: Naturgemäss sind sie auf der Bergseite höher, als auf der Talseite. Wenn man nun also drüberfährt (und das muss man, wenn man nicht stundenlang schaufeln will), kippt das Wohnmobil gegen das Tal und gibt einen grausigen Blick in die Tiefe frei. Auf meiner Seite. Ausgerechnet! Ich habe ja eh schon immer Angst, das Womo könnte kippen. Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich suchte nach einer Stelle zum Wenden. Gab es nicht. Und eigentlich wollte ich auch nicht nochmals diese Strecke fahren. Lieber das Ungewisse! Also tasteten wir uns weiter vor, Kurve um Kurve, Höhenmeter um Höhenmeter. Das saftige Grün des Regenwaldes war schon lange dem kargen Buschwerk der grossen Höhenlage gewichen und endlich öffnete sich das enge Tal und wir erreichten Santa Ana auf 3365 M.ü.M. Auch so ein Dorf… Die Frauen waren in warme Ponchos gehüllt und trugen Hüte, wie die Indigenas in Bolivien. Der Nebel waberte durchs die drei Gassen und zwischen den knapp vierzig Häusern umher. Aber es gab einen Polizisten! Und das schien uns jetzt eine geeignete Person zu sein, um nach dem weiteren Verlauf der Strecke zu fragen. Hm, er wisse nicht so genau. Wir sollten doch über Nacht hier bleiben und vielleicht komme ja ein Fahrzeug aus der Richtung, in die wir wollten und so wüssten wir dann, dass die Strasse befahrbar wäre. Da wir eh hundemüde waren, schien uns das kein schlechtes Angebot zu sein. Felix ging mit Filou spazieren und kaufte im einzigen Miniladen ein paar Souveniers. Man muss so ein Dorf am Ende der Welt ja ein bisschen unterstützen. Darum entschieden wir uns auch, im einzigen „Restaurant“ zu Abend zu essen. Um dahin zu gelangen, mussten wir entweder das Auto nehmen (für 100 Meter!) oder den reissenden Fluss, der über die Strasse donnerte auf einem Holzplanken-Brückchen überqueren! Meine Beine schlotterten so stark, dass ich Felix Hand brauchte. Hoffentlich würde es auf dem Rückweg nicht schon stockdunkel sein! Eine Auswahl gab es im Comedor nicht. Wir konnten ein paniertes Schnitzel mit Reis haben, oder Reis mit einem panierten Schnitzel. Klang gut für uns. Während dem Warten schauten wir im Fernseher Superman auf spanisch und beobachteten die Riesensau, die vor der offenen Türe hin und her schlenderte und lauthals grunzte. Die Jacken behielten wir an. Jetzt war doch Spätsommer. Wie hielten es die Menschen im Winter in diesen unbeheizbaren Häusern aus? Ob sich alle immer nur in der Küche am Herd aufhielten? Wäre ja mal spannend, das zu erleben. Oder nein, doch lieber nicht!
Übrigens fuhr am Abend noch ein Pickup gefüllt mit Einwohnern in „unsere“ Richtung ab und der Polizist gab uns für den nächsten Tag grünes Licht.
Endlich schien die Sonne wieder und wir konnten unter strahlend blauem Himmel die Baum- und Buschlosen Berge von bis zu 4500 M.ü.M. hinaufkurven. Natürlich hatte der viele Regen der letzten Wochen Schäden verursacht, aber bei Sonne sah beinahe alles viel harmloser aus. Ein paar Flüsse mussten durchquert, gesperrte Strecken umfahren werden und dann endlich waren wir am Ziel. (Obwohl ja eigentlich der Weg das Ziel ist) Dieses Ziel hätten wir auch von der anderen, einfacheren Seite erreicht können. Wir waren beim Serraina de Hornocal angekommen, einem Bergzug mit 14 verschiedenen Farben in zickzack Linien. Höhe über Meer: 4320 Meter. Ein kleiner Spaziergang gefällig? Auf dem Hinweg ging es schön steil bergab, auf dem Rückweg alles bergauf. Ich musste einige Pausen einlegen, um es zurück zu Emma zu schaffen. Filou schien überhaupt keine Mühe zu haben und rannte herum, als ob wir uns auf Meereshöhe befinden würden! Emma stiess bei der Abfahrt eine dunkelgraue Wolke aus, auch ihr behagen solche Höhen nicht.
Nach einer halben Stunde zu Tale kurven hatten wir Humahuaca erreicht und stellten uns sogleich auf den Campingplatz. Hier erholten wir uns von den Strapazen der letzten Tage, duschten ausgiebig und gingen Pizza essen. Pizza geht immer! Und ein Pisco sour dazu auch.
Gut erholt fuhren wir nach ein paar Tagen weiter in Richtung San Salvador de Jujuy, wo unsere abenteuerliche Tour begonnen hatte. In Tilcara besuchten wir die Teufelsschlucht für Leute ohne Höhenangst und besser auch ohne Hund, denn es muss eine senkrechte Leiter über dem Abgrund erklommen werden, was mit Hund unter dem Arm nicht ganz einfach ist. Felix konnte das nicht zugemutet werden, ihm war hier nicht wohl… :. Danach musste das Flüsschen bestimmt 15-mal durchwatet werden, um zu einem mickrigen Wasserfall zu gelangen. Ich behielt meine Turnschuhe an, Felix ging barfuss. Filou musste an der Leine bleiben, die Strömung hätte ihn glatt fortgespült. Wir übernachteten danach in Tilcara am Flussufer und fuhren am nächsten Tag zurück nach S.S. de Jujuy, um neue Ausreisepapiere für Filou zu machen. Also wieder Tierarzt, entwurmen, entflohen, Impfungen kontrollieren, Herz und Lunge abhören, Zettel ausfüllen, fertig. Damit zur Senasa eilen, da die nur bis 13:00 Uhr offenhaben. Eine halbe Stunde zuschauen, wie die Dame in den Computer starrt und nicht so recht weiss, was sie machen muss. Dann wurden mir Einzahlungsscheine ausgehändigt, die ich gleich ums Eck bezahlen musste. Bloss wollten die dort kein Bargeld und wollten auch nur Debit-Karten entgegennehmen. Ich besitze aber nur Kreditkarten. Zum Geschäft raus und die Strasse runter eilen auf der Suche nach einem weiteren Rapipago. Hier klappte es dann mit Barzahlung und ich eilte zurück zur Senasa. Knapp vor Ende der Öffnungszeiten stand ich mit den nötigen Papieren auf der Strasse und liess mich erschöpft auf den Beifahrersitz von Emma fallen. Hallelujah! Das wäre doch ein Amt, dass Präsident Milei abschaffen könnte! Was die Chilenen sagen würden, wenn dann alle ohne diese Papiere an der Grenze auftauchen würden? Einreise verweigert!
Auf unserem Weg zur Grenze blieben wir für die Nacht in Purmamarca und machten einen Abendspaziergang durch die roten Berge hinter dem Städtchen. Tags darauf fuhren wir über die Salina Grande, einem Salzsee in langen Kurven den Jama-Pass hoch bis auf 4200 M.ü.M. Hier hiess es nun endgültig Abschied nehmen von Argentinien, unserem Lieblingsland in Südamerika. Was das Land so speziell macht? Da wären die hohen, kargen Berge, die Wüsten und der Dschungel. Die glasklaren Bäche Patagoniens und die türkis leuchtenden Seen. Hohe Vulkane und schneebedeckte Andengipfel. Papageien und Sittiche, Wasservögel und Kondore, Wasserschweine, Vicuñas, Guanacos und Lamas, riesige Pferde- und Rinderweiden, die schöne koloniale Städte und die feinen Weine. And last but not least die Argentinier selbst. Ihre Freundlichkeit und Herzlichkeit, ihr Interesse an Besuchern und ihre Sehnsucht, auch die Welt zu erkunden. Trotz der wirtschaftlichen Krise im Land haben sie die Hoffnung nicht verloren. Im Moment hoffen viele auf Milei. Ob sie wieder enttäuscht werden? Die Lebenskosten sind in den letzten Monaten (auch für uns) deutlich gestiegen, die Armut grösser geworden. Und trotzdem treffen sie sich im Park zum Mate trinken und stundenlangen Gesprächen, sie lachen und umarmen sich. Wir hoffen für sie auf einen Turaround. Sie haben es verdient! Wie kann es nur sein, dass ein Land mit so vielen Ressourcen so am Boden liegt? Schweren Herzens sagen wir chiao, que le vaya bien!
Was für ein toller Bericht! So lebendig geschrieben, so dass man das Gefühl hat, direkt selbst am Geschehen teilgenommen zu haben. Herzlichen Dank.